Wie vererbt man Immobilien in USA und UK ohne teuren und aufwendigen Erbschein? Der Trick Gesamthandseigentum (Joint Tenancy) spart den Erben viel Zeit und Kosten.
Wer ein Haus oder eine Ferienwohnung in einem Common Law Land besitzt, also etwa in England, USA, Südafrika oder Australien, vergisst manchmal, dass bei seinem Tod der deutsche Erbschein im Ausland nicht gilt. Die Erben müssen also, neben dem Nachlassverfahren in Deutschland, auch das in Common Law Ländern übliche Probate Verfahren durchlaufen, mit allen Kosten und bürokratischen Hürden, die das mit sich bringt (beglaubigte Kopien und Übersetzungen von zahlreichen Urkunden, Apostillen, Legal Affidavits usw.). In manchen Fällen erfahren die Erben zu ihrem Schrecken sogar, dass das in Deutschland erstellte Testament im betreffenden Land nicht anerkannt wird (z.B. in USA) und dann stattdessen für die Auslandsimmobilie die dortige gesetzliche Erbfolge gilt, sagen wir von Florida, Kalifornien oder New York (mehr dazu hier: Erbschaft aus USA: Was nun?). So kann es passieren, dass die Immobilie im Ausland jemand erbt, der im Testament so gar nicht bedacht wurde. Familienstreit is vorprogrammiert.
Was bedeutet Joint Tenancy und was sind die Vorteile?
Das englische und amerikanische Recht bietet eine einfache Möglichkeit, wie man die Vermögensnachfolge außerhalb des Testaments regeln kann, das sogenannte Joint Ownership, bei Immobilien auch Joint Tenancy genannt, vergleichbar mit dem deutschen Gesamthandseigentum. Den „Joint Tenants“ nach britischem und amerikanischem Recht gehört also das ganze Objekt gemeinschaftlich. Die interessante Rechtsfolge ist, dass beim Tod eines Miteigentümers dessen Anteil dem (oder den) anderen Miteigentümer(n) automatisch zufällt (Anwachsung), also ohne Testament, ohne Erbschein (Grant of Probate) und ohne formalen Übertragungsakt. Dem Land Registry in England oder USA muss nur durch Sterbeurkunde nachgewiesen, dass ein Joint Tenant verstorben ist, dann werden die neuen Eigentumsverhältnisse im Grundbuch so eingetragen. Diese automatische Anwachsung bei den übrigen Eigentümern, sog. Right of Survivorship, ist also bereits im Rechtsinstitut des Joint Ownership angelegt, quasi eine Abrede auf Gegenseitigkeit: Stirbst du zuerst, wächst mir dein Eigentumsanteil zu, sterbe ich zuerst, umgekehrt. Deshalb handelt es sich auch um keine Schenkung.
Als Joint Tenants einer Immobilie können sich zwei oder mehr Personen eintragen lassen. Einziges Erfordernis: Die Miteigentumsanteile müssen gleich sein, d.h. bei zwei Joint Tenants 50:50, bei vier Joint Tenants jeder ein Viertel usw.
Kauft also ein Deutscher ein Ferienhaus in England oder eine Eigentumswohnung in USA, die später einmal an seine Ehefrau und/oder seine Kinder gehen soll, so wäre es hochgradig ungeschickt, diese Auslandsimmobilie auf sich allein eintragen zu lassen. Denn dann braucht bei seinem Tod später einmal seine Ehefrau einen britischen oder amerikanischen Erbschein (Kosten 5.000 Euro aufwärts und Wartezeit von mindestens 6 Monaten). Vererbt die Witwe die Immobilie später an die Kinder, geht das ganze Spiel von vorne los.
Lassen sich die Eheleute stattdessen als Joint Tenants im englischen oder amerikanischen Land Registry eintragen, so kann man sich das aufwendige und teure Probate Verfahren sparen und lässt unter Vorlage des Death Certificate einfach das Grundbuch berichtigen. Ist sich die Familie sicher, das Objekt langfristig behalten zu wollen, kann man sogar bereits das Kind (die Kinder) als weitere Joint Tenants mit eintragen lassen. So kann das Objekt auch bei mehreren Sterbefällen in der Familie gehalten werden, ohne jemals ein Testament vorlegen oder einen ausländischen Erbschein beantragen zu müssen. Es ändern sich beim Tod eines Familienmitglieds lediglich die ideellen Miteigentumsanteile der übrigen Familieneigentümer.
Selbst außerhalb der Familie kann dies eine Möglichkeit sein, sich die Anschaffungskosten für ein kleines Strandhaus oder ein Condominium zu teilen, etwa unter mehreren Freunden. Man muss sich aber darüber klar sein, dass es – falls man derjenige ist, der zuerst verstirbt – für die eigenen Erben keine Kompensation gibt.
Erbschaftsteuer fällt trotzdem an
Um Missverständnisse zu vermeiden: Die Joint Tenancy regelt nur die zivilrechtliche Seite, hat aber nichts mit det Frage zu tun, ob die übrigen Miteigentümer ggf. Steuern zahlen müssen (Erbschaftssteuer, Grunderwerbsteuer etc). Dieser Aspekt ist völlig getrennt zu prüfen und es kommt auf die konkrete Fallkonstellation an, ob im Land der Immobilienbelegenheit oder in Deutschland Steuern anfallen (oder schlimmstenfalls in beiden).
So existiert zum Beispiel in England, Wales und Schottland ein unbeschränkter Ehegattenfreibetrag (Spouse Exemption), so dass in UK bei Ehegatten als Joint Tenants nie UK Inheritance Tax anfällt. Sind die Ehegatten aber (auch) Steuerinländer in Deutschland (§ 2 ErbStG), etwa weil sie einen Wohnsitz in Deutschland haben (es muss nicht einmal der Hauptwohnsitz sein), so kann – je nachdem ob die Ehegatten ihren deutschen Steuerfreibetrag schon aufgebraucht haben – auch deutsche Erbschaftssteuer anfallen. Mehr dazu hier: Deutschland oder England: Wo muss das Erbe versteuert werden? In den USA hängt es vom jeweiligen Bundesland ab, ob und wieviel Steuern anfallen.
Fazit: Wer in USA, Großbritannien, Australien oder einem anderen Common Law Staat (und davon gibt es sehr viele) eine Immobilie erwerben will, sollte konkret durchspielen, was bei seinem Tod passieren soll. In vielen Fällen ist dann Joint Tenancy das Mittel zur Wahl. Will man trotzdem zu seinen Lebzeiten Alleineigentümer sein, so ist es sinnvoll, entweder ein gesondertes Testament vor Ort zu erstellen, in dem explizit geregelt wird, an wen die Auslandsimmobilie gehen soll. Oder sein deutsches Testament so zu gestalten, dass es auch im Ausland anerkannt wird (zum Beispiel zwei Zeugen mitunterschreiben lassen) und ausdrücklich auf die Auslandsimmobilie Bezug zu nehmen.
Weitere Informationen zum englischen und US-amerikanischen Erbrecht und dem Erfordernis eines englischen Erbscheins finden Sie in den Beiträgen der Rubrik “Erbrecht & Testament” sowie in den Beiträgen „Erbschaft aus USA: Was nun?“ und “Muster-Testament bei Vermögen im Ausland”.
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