Diesmal ein angeblicher Fonds bei der Lloyds-Bank
Ohne Übertreibung erhalten wir täglich mehrere Anfragen deutscher und österreichischer „Erben“, die uns berichten, sie hätten in England ein Bankkonto oder anderes geerbt. Bei der Freigabe gäbe es nun aber Probleme, weil die Bank oder eine Behörde Gebühren verlange. Mehr muss ich in der Regel nicht wissen: Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen Betrugsversuch handelt, liegt bereits bei 95 Prozent. Denn so werden englische Erbschaften nicht abgewickelt. Wir haben die Basics dazu bereits in mehreren Beiträgen erläutert.
Heute erhielten wir eine Anfrage, bei der der Betrugsversuch etwas anders aufgebaut war, als bei den angeblichen britischen Erbschaften. Hier ging es um eine „Begünstigung“ direkt an einem angeblichen Fonds der Lloyds Bank, also so etwas wie eine Bezugsberechtigung in einer Lebensversicherung. Natürlich alles erstunken und erlogen und mit den bekannt bunten Urkunden, die es im echten Leben so nicht gibt. Oder wann haben Sie von Ihrer echten Bank oder Sparkasse schon mal so ein schön buntes Dokument mit vielen Stempeln, Siegeln, goldenen oder roten Aufklebern und Rüschchen erhalten? Echte Bank- oder Behördenschreiben sind eher nüchtern und gerade nicht farbig, auch in Großbritannien. Wenn es um Behördenschreiben geht, sind diese sogar meist auf gelblichem Umweltpapier. Viel Farbe ist also stets ein Warnsignal.
Betrüger lieben es farbenfroh
Anders die Scammer. Die kennen echte britische Behördenschreiben entweder nicht oder sie meinen: Je bunter, desto überzeugender. Und so sieht bei dieser aktuellen Betrugsmasche das Fantasie-Dokument mit dem schönen, aber ebenfalls frei erfundenen, Titel „Final Fund Release Order Instrument“ aus:
Was verlangen die Betrüger und was machen sie damit?
Auf den folgenden Seiten des Betrugsschreibens steht dann, worum es den kriminellen Betrügern wirklich geht. Dem angeblichen Begünstigten (also dem Betrugsopfer) wird zugesagt, dass er die Auszahlung aus dem Fond nun umgehend auf sein Konto erhält, nämlich sofort nachdem er:
- eine Kopie seines Passes übersandt hat;
- den Antrag unterschreibt;
- angebliche Gebühren oder Kosten überwiesen hat. In unserem Beispiel immerhin 7.300 Euro „Stamp Duty Fees“ und weitere 5.200 Euro für Bankgebühren, „Drug Clearance Certificates“ und „Anti Money Laundering Certificates“. Alles natürlich kompletter Schwachsinn. Nichts davon gibt es im echten Leben.
Wenn der Betrogene darauf hereinfällt, ist alles vorbei. Denn: Die Kopie des Passes verwenden die Betrüger dann gleich beim nächsten Opfer. Mit der Unterschrift und den persönlichen Daten aus dem Reisepass oder Personalausweis können die Gauner dann zum Beispiel Überweisungs- oder Lastschriftaufträge vom Konto des Opfers ausführen. Denn die Kontodaten des Opfers lassen sich die Betrüger natürlich auch geben, dort hin soll ja die Fantasie-Erbschaft überwiesen werden. Das Geld ist weg, denn eine Überweisung kann nicht storniert werden und die Polizei in England ist erstens zu langsam und zweitens ist das dortige Konto nur ein Durchlaufkonto, von dem der Geldeingang noch am selben Tag nach Afrika oder Asien weiter überwiesen wird. Das ist – mit Verlaub – kein Vorurteil, sondern die Erfahrung aus mehreren Dutzend echten Fällen, die wir in unserer Kanzlei bearbeitet haben.
Hier das Schreiben und die relevante Passage in Vergrößerung:
Warum fallen so viele auf diese offensichtlich gefälschten Briefe herein?
Das fragen wir uns auch immer wieder. Offenkundig können sich viele nicht vorstellen, dass Kriminelle einen derart hohen Aufwand betreiben. So viel Aufwand ist das aber in Zeiten von PhotoShop, Dokumentbearbeitungssoftware und Farbdruckern nicht. Die Logos von Banken, Fotos und Pässe kann man sich im Internet zusammenkopieren, wenn man nicht gleich Passkopien früherer Betrugsopfer verwendet.
Seien Sie also extrem vorsichtig bei einer Nachricht „Sie haben geerbt“. Natürlich gibt es auch echte Erbfälle aus dem Ausland, nur laufen diese völlig anders ab. Im Zweifel fragen Sie uns, wir erkennen in zwei Minuten, ob es sich um einen legitimen Erbfall handelt oder um den üblichen Betrüger-Hokuspokus.
Sehen Sie auch unser ausführliches Video zum Thema Erbschaftsbetrug
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Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer Abteilung für britisch-deutsche Prozessführung (GP Litigation) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische sowie deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und Erbfälle. Falls Sie bei einer britisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors unserer Partnerkanzlei gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 – 463 7070.
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