Wann verjähren Ansprüche nach britischem Zivilrecht?
Wer einen Anspruch geltend machen will, darf nicht zu lange damit warten: Ist die Verjährungsfrist abgelaufen, kann sich die Gegenseite mit dem Argument „Verjährung“ verteidigen. In deutscher Juristensprache: Der Schuldner erhebt die Einrede der Verjährung und macht damit ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht geltend (§ 214 BGB). Auf gut Deutsch: Der Anspruch besteht zwar weiter und das Gericht prüft die Frage der Verjährung im Prozess auch nicht von sich aus, wenn sich aber der Schuldner auf Verjährung beruft, hat der Gläubiger Pech gehabt.
Ähnlich im englischen Common Law: Die Verjährung von Ansprüchen regelt in UK vor allem der Limitation Act (1980). Die Verjährungsfristen unterscheiden sich stark je nach Anspruchsgrundlage bzw. Klageart. Die Standardverjährungsfrist für „normale“ vertragliche Ansprüche ist in England sechs Jahre (also doppelt so lange wie in Deutschland), aber 12 Jahre für Ansprüche aus einer formellen Urkunde (Deed).
Wann beginnt die Verjährungsfrist zu laufen?
Diese Frage ist in der Praxis oft ebenso wichtig wie die Verjährungsfrist selbst. Prinzipiell beginnt die Verjährung nach englischem Recht in dem Moment zu laufen, in dem die „cause of action“ entsteht. Bei einem Anspruch wegen Fahrlässigkeit (negligence) also zum Beispiel wenn die fahrlässige Handlung begangen wird. Bei Ansprüchen aus Vertragsverletzung am Tag des „breach of contract“.
Allerdings gibt es wichtige Ausnahmen: Wenn etwa der Schaden noch nicht erkennbar war („latent damage“) und die erste Verjährungsfrist von sechs Jahren („original time period“) bereits abgelaufen ist, beginnt eine zweite Verjährungsfrist (die dann aber nur mehr drei Jahre beträgt) ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Anspruchsteller Kenntnis erlangt oder Kenntnis hätte haben können („date of knowledge of loss or the date when it ought to have reasonably known about the loss“). Über diese Frage des „Kennen müssens“ können die Anwälte beider Seiten natürlich trefflich streiten.
Die Verjährung wird durch Klageeinreichung gestoppt („when the court receives the claim form“); Details zur Klageeinreichung hier. Folgende Beiträge erläutern, wie man zivilrechtliche Ansprüche vor einem englischen Gericht einklagt oder wegen einer Forderung in UK die Zwangsvollstreckung betreibt.
Die Parteien können Vereinbarungen über Verjährungsfristen treffen, sog. Limitation Standstill Agreements (mehr hier), wobei Verbraucher gegen zu kurze Verjährungsfristen durch den „Unfair Contract Terms Act“ geschützt sind.
Eine Übersicht über die wichtigsten Verjährungsfristen auf Wikipedia UK und im Out-Law-Blog. Zum Vergleich die Verjährungsfristen nach deutschem Recht
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Weitere Informationen zu Rechtsstreitigkeiten mit Briten oder vor britischen Gerichten, zur englischen Zivilprozessordnung, Prozessführung und Zwangsvollstreckung in UK in diesen Posts:
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