Die Abwicklung einer internationalen Erbschaft mit Bezug zu Australien ist extrem langwierig und teuer
Ein Markenzeichen Australiens sind die putzigen Koala-Bären. Diese schlafen 14 Stunden täglich und ruhen sich daneben weitere fünf Stunden pro Tag aus. Die verbleibenden fünf Stunden verbringen sie mit Fressen. Die Höchstgeschwindigkeit eines Koala im vollen – nun ja – Sprint sind 11 km/h.
All das erinnert mich stark an die Abwicklung internationaler Erbfälle mit Bezug zu Australien. Wir sind als Kanzlei auf Nachlassfälle zwischen Deutschland und Common Law Staaten spezialisiert, also das Beantragen von Erbscheinen bzw. Nachlasszeugnissen in England, Schottland, Irland, Channel Islands (Jersey, Guernsey), USA und eben auch Australien. Deshalb haben wir seit vielen Jahren den direkten Vergleich. Am schnellsten flutscht das Nachlassverfahren in England & Wales, jedenfalls wenn man die praktischen Abläufe und Praxiskniffe gut kennt, sich also nicht durch unpassende Antrags- und Steuerformulare aus dem Tritt bringen lässt. In Schottland, Nordirland sowie der Republik Irland wird es schon umständlicher, vor allem weil die dortigen Gerichte sehr ungern mit ausländischen Anwälten direkt korrespondieren, man also meist einen lokalen Anwalt hinzuziehen muss. Mit Abstand am schwierigsten abzuwickeln sind Nachlässe mit Vermögen in Australien. Die Korrespondenz mit Gerichten, Finanzbehörden und Anwaltskanzleien Down Under ist meist so extrem zäh, dass man auf die Idee kommen könnte, ob da vielleicht primär Koalas arbeiten.
Kein „australisches Erbrecht“ als solches
Es beginnt schon damit, dass ein einheitliches australisches Erbrecht nicht existiert. Australien hat acht Territories (vergleichbar mit deutschen Bundesstaaten, die aber erheblich größere Autonomie besitzen), alle mit ihren eigenen Vorschriften zum Erbrecht sowie zum Recht des Nachlassverfahrens und der Nachlassabwicklung. Anders als in England, wo man die frei Wahl zwischen den Nachlassgerichten hat, muss man in Australien also schon aufpassen, nicht versehentlich das falsche Gericht im falschen Territory zu kontaktieren. Man muss also wissen, wo die australischen Assets (zum Beispiel ein Aktiendepot oder ein Bankkonto) „registriert“ sind. Das muss nicht identisch sein mit der kontoführenden Stelle. Im schlimmsten Fall erhält man sonst ein Nachlasszeugnis in – sagen wir – New South Wales, stellt dann aber fest, dass man einen Erbschein in Victoria gebraucht hätte. Dann geht alles von vorne los, weil die australischen Nachlasszeugnisse nicht einmal von Bundesstaat zu Bundesstaat gelten, ohne sie vorher „resealen“ zu lassen.
„Reseal“ oder echter „Local Grant“
Als nächstes stellt sich die Frage, ob ein deutscher Erbschein in Australien gerichtlich anerkannt (resealed) werden kann oder ob man ein eigenständiges Erbscheinsverfahren in Australien durchlaufen muss. Leider ist die Antwort meist: letzteres. Hierfür muss der Antragsteller dann zahlreiche Dokumente beibringen, entweder im Original oder als beglaubigte Kopie mit Apostille sowie mit beglaubigter Übersetzung. Der Antragsteller muss in der Regel auch eine eidesstattliche Versicherung abgeben und diverse weitere Zertifikate beibringen. Besonders entsetzlich wird es, wenn der Verstorbene Grundvermögen in Australien besaß oder seinen letzten Wohnsitz und/oder Arbeitsplatz in Australien hatte.
Tipps zu Lebzeiten
Besitzt jemand, der in Deutschland oder Österreich lebt, Aktiendepots oder Bankguthaben in Australien, sollte er sich gut überlegen, ob er seine Angehörigen später damit quälen will, diese im Nachlass aufzulösen. Erheblich sinnvoller ist es, solche Guthaben bereits zu Lebzeiten entweder aufzulösen und nach Deutschland bzw. Österreich zu transferieren, oder aber diese Assets in Australien wenigstens frühzeitig auf die nächste Generation zu übertragen.
Nachlassabwicklung in Australien
Ist der Erbfall aber bereits eingetreten, finden sich erste konkrete Tipps zur Nachlassabwicklung hier. Es wird aber dauern und kosten.
Weitere allgemeine Informationen zu Erbrecht, Nachlassabwicklung und Erbschaftsteuer in Deutschland, UK und anderen Commonwealth Ländern:
-
Erbrecht und Testament in England: die Basics
-
Testament und Erbrecht in Schottland
-
Checkliste für Nachlassabwicklung in England & Wales
-
Achtung: In Schottland gelten andere Regeln
-
und in Irland sowieso
-
Wie sieht ein echter Erbschein in Australien und Neuseeland aus?
-
Erbschaftssteuer in England: Steuersätze, Freibeträge, Anrechnung
-
Anrechnung von Erbschaftssteuer zwischen Deutschland und England
-
Was ist eine “Deed of Variation” im englischen Erbrecht?
-
Erbfall in England: Wie beschränkt man die Haftung des Nachlassabwicklers?
-
Haftungsfalle für Erbrechtsanwälte: In USA und GB gibt es keine transmortale Vollmacht
-
Deutschland oder England: Wo muss das Erbe versteuert werden?
-
Wer Bankkonten oder Depots in UK oder auf den Channel Islands erbt
-
Der ganz normale Wahnsinn deutsch-britischer Erbfälle
-
Internet-Betrugsmasche: ausländische Erbschaft
-
Verwandter in England gestorben: Wie erfährt man, was im Testament steht?
Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer Abteilung für britisch-deutsche Prozessführung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische sowie deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und Erbfälle. Das Experten-Team deutscher und englischer Anwälte und Steuerberater regelt internationale Erbfälle und wickelt Nachlässe für die Erben in Deutschland, USA, England und anderen Common Law Rechtsordnungen ab.
Falls Sie bei einer britisch-deutschen oder deutsch-amerikanischen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Lyndales gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 – 463 7070.