Ohne Erbrechtsanwalt vor Ort wird es in Kanada schwierig
Wie in den USA, sind auch in Kanada das Erbrecht und die Nachlassverfahrensregeln von Bundesstaat zu Bundesstaat (in Kanada Provinzen genannt) unterschiedlich, weil es sich um regionales Recht der jeweiligen Province handelt. In den englischsprachigen Provinces sind die Grundprinzipien noch recht ähnlich, in der „französischen“ Provinz Québec gelten allerdings andere Regeln. Vor allem die dortige zentrale Rolle des Notars nach französischem Vorbild ist den anderen kanadischen Provinzen fremd. Das Erbrecht in Québec ähnelt übrigens auch stark dem deutschen Recht, da beide – Napoleon Bonaparte lässt grüßen – vom französischen Code Civil beeinflusst sind. Das gilt in etwas abgeschwächter Form auch für den US-Bundesstaat Louisiana. Hier ein Link zu den Basics des Erbscheinsverfahrens in Québec.
Erbfall in British Columbia
Viele deutsch-kanadische Erbfälle haben Bezug zur Provinz British Columbia an der kanadischen Westküste, weil es viele deutsche Auswanderer in diese malerische Provinz am Pazifik zieht.
Die Grundprinzipien der Nachlassabwicklung sind ähnlich zu denen in England und USA, aber die Terminologie ist im Detail doch verschieden. Auch in B.C. steht der „Personal Representative“ im Vordergrund, nicht der Erbe bzw. der Begünstigte (Details zu den Grundprinzipien der anglo-amerikanischen Nachlassabwicklung hier). Je nachdem, ob es ein Testament gibt oder nicht, beantragt man einen Grant of Probate oder einen Grant of Administration. Der Überbegriff ist „Representation Grant“ oder auch „Estate Grant“.
Für die Korrespondenz mit dem Nachlassgericht in British Columbia existieren 43 Formulare (siehe hier). Ob man überhaupt ein kanadisches Nachlasszeugnis benötigt oder ob eventuell auch eine offiziell bestätigte Kopie des Testaments genügt („Probated Will“; vergleichbar dem deutschen Testament mit Eröffnungsbeschluss), sollte man mit der Bank oder der Depotverwaltung besprechen.
Den Antrag auf Erteilung eines kanadischen Nachlasszeugnisses (hier am Beispiel British Columbia) kann man bei jedem Supreme Court stellen (Liste hier), es gibt also, anders als in Deutschland, keine bindende örtliche Zuständigkeit eines bestimmten Nachlassgerichts.
In der Praxis wird es aber kaum jemand schaffen, von Deutschland aus ein kanadisches Nachlasszeugnis zu beantragen und dann dort die Erbschaft abzuwickeln. Ohne die Unterstützung durch einen lokalen Anwalt wird man ziemlich schnell an den Formalitäten der nötigen „Affidavits“ scheitern, zumal Kanada nicht Mitglied des „Haager Apostillen-Übereinkommens“ (mehr dazu hier) ist. Anders als zum Beispiel Deutschland, Großbritannien und die USA. Im internationalen Rechtsverkehr zwischen Kanada und Deutschland ist es daher erheblich umständlicher, Dokumente beglaubigen zu lassen (legalisation of documents). Das lässt sich aber nicht vermeiden, weil in aller Regel viele Dokumente wie Geburtsurkunden, Sterbeurkunden, Heiratsurkunden, Grundbuchauszüge, Handelsregisterauszüge usw. vorgelegt werden müssen.
Nach zwei Versuchen, Erbfälle in Kanada von Deutschland aus selbst abzuwickeln, haben wir eingesehen, dass das unseren Mandanten nichts bringt. Seither arbeiten wir mit der Kanzlei Robson O’Conner im schönen Vancouver zusammen.