Ab 6. April 2022 entfällt das Schuldprinzip im englischen Scheidungsrecht
Besser spät als nie. Seit Jahrzehnten sind sich die meisten englischen Familienrechtler einig, dass das Schuldprinzip des englischen Scheidungsrechts nicht mehr zeitgemäß ist. Schottland hatte es bereits 2006 abgeschafft.
Am 6. April 2022 ist es nun soweit: Das System der „no-fault divorce“ tritt in England und Wales in Kraft. Familiengerichte und Scheidungsanwälte in England rechnen mit einer Welle von Scheidungsverfahren, da die meisten scheidungswilligen Paare die Scheidungsanträge aufgeschoben haben, um das neue Recht abzuwarten.
Bisher mussten Paare eine mindestens zweijährige Trennungsdauer abwarten, wenn sicher ein Partner der Scheidung verweigerte sogar fünf Jahre, oder aber – wenn sie das nicht wollten – dem Gericht das schuldhafte Verhalten eines Ehepartners darlegen, nämlich Ehebruch (adultery) oder unzumutbares Verhalten (unreasonable behaviour, etwa Gewalttätigkeit). Die Details habe ich im Länderbericht zum Familienrecht von England und Wales im NOMOS Kommentar zum BGB ausgeführt
Das neue englische Scheidungsrecht
Ab 6. April 2022 ist ein Verschuldensnachweis nun nicht mehr relevant. Zudem wird die Terminologie (decree nisi, decree absolute) vereinfacht und das Scheidungsverfahren kann in einvernehmlichen Fällen vollständig online stattfinden.
Ein informatives Video hierzu bietet die Law Society of England hier.
Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl ist seit 2003 auf deutsch-britisches Recht spezialisiert, Schwerpunkte Erbrecht, Nachlassabwicklung, internationale Zivilprozesse und auch Familienrecht. Er ist der Autor des Länderberichts zum Familienrecht von England und Wales im Nomos BGB-Kommentar und berät internationale Familien bei der Gestaltung von Eheverträgen und bei der Nachlassplanung.
Zum Thema deutsch-britische Nachlassplanung veröffentlichte das englische New Law Journal im März 2022 einen Beitrag von Rechtsanwalt Schmeilzl mit dem Titel „11 Pitfalls of UK-German Probate and Estate Planning“ (11 typische Fehler bei deutsch-britischen Erbfällen). Der Beitrag ist hier verfügbar als PDF-Download: