Wer braucht solche „Heir Hunter“ und wie viel Provision ist üblich?
Es kommt gar nicht so selten vor, dass jemand verstirbt und unklar ist, wer die nächsten Verwandten sind (oder wo diese wohnen). Immer mehr alte Menschen haben keine Kinder und vereinsamen am Lebensende. Allein im Vereinigten Königreich (England, Wales, Schottland und Nordirland) befinden sich aktuell rund 7.300 Erbfälle auf der „bona vacantia“ Liste, also im offiziellen staatlichen Verzeichnis der „herrenlosen Nachlassvermögen“ (unclaimed estates).
Erhebt in diesen Erbfällen 30 Jahre lang niemand einen Anspruch, fällt das Erbe „der Krone“ zu also dem britischen Staat. Oft sind das erhebliche Vermögen.
Herrenlose Nachlassvermögen in Deutschland
In Deutschland existiert kein solches offizielles Verzeichnis von Erbschaften, die (noch) niemand beansprucht hat. Aber natürlich kommt es auch hierzulande vor, dass entweder die Erbfolge unklar ist oder man zwar weiß, wer geerbt hat, der Aufenthaltsort dieser Person(en) aber nicht bekannt ist. In solchen Fällen setzt das lokale Nachlassgericht einen Nachlasspfleger ein (§ 1960 BGB). Dieser Nachlasspfleger hat in der Regel zwei Aufgaben:
- den Nachlass zu sichern und zu erhalten, die Erbmasse also in Besitz zu nehmen und (unter der Aufsicht des Nachlassgerichts) zu verwalten; in der Regel bedeutet das, den Status Quo „einzufrieren“
- die Erben zu ermitteln, also juristisch zu klären, wer überhaupt Erbe geworden ist, diese Erben zu finden und über die Erbschaft zu informierend
In manchen Fällen kommen Nachlasspfleger bei der Suche nach den Erben an ihre Grenzen, vor allem wenn die Spur ins Ausland führt oder/und keine offiziellen Personenstandsurkunden zu den in Frage kommenden Verwandten auffindbar sind (etwa weil Standesamtsarchive im Weltkrieg zerstört wurden o.ä.).
Gute Erbenermittler haben riesige Archive
In solchen Fällen schlägt die Stunde der Erbenermittler bzw. Erbensucher, im englischen Sprachraum meist „heir hunters“, „heir tracing experts“ oder – wissenschaftlicher – „probate researchers“ (Nachlassforscher) bzw. „international genealogists“ genannt.
Natürlich gibt es auch in dieser Branche etliche dubiose und dilettantisch agierende Erbenermittlungs-Agenturen, die keinen echten Zusatznutzen liefern, sondern nur auf eine schnelle Vermitttlungsprovision aus sind, indem sie im Ausland lebende Verwandte im Internet aufspüren und diese dann über einen Erbfall informieren, von dem diese Verwandten etwas später wohl ohnehin erfahren hätten.
Die großen, oft seit Jahrzehnten etablierten Erbenermittler wie zum Beispiel Hoopers in England oder Hoerner Bank in Deutschland, verfügen dagegen über beeindruckende Ressourcen und ein riesiges internationales Netzwerk. Zu den wertvollen Assets dieser Erbenermittler gehören tausende alte Telefonbücher, historische Adressverzeichnisse und über viele Jahre gewachsene Datenbanken. Solche seriöse Erbenermittler beschäftigen meist auch fest angestellte Historiker, Rechtspfleger und DNA-Experten.
In den letzten 20 Jahren wurden natürlich auch Verwandtschafts-Websites wie Ancestry immer wichtiger, auf denen Millionen von Privatpersonen freiwillig ihre Daten eingeben und sogar DNA-Ergebnisse hochladen, um Verwandte aufzuspüren, den Familien-Stammbaum zu vervollständigen und Informationen über die eigene Herkunft zu erhalten.
Besonders häufig kommen Erbenermittler in anglo-amerikanischen Ländern zum Einsatz, da diese Länder meist keine Wohnsitz-Meldepflicht und oft auch keine Ausweispflicht kennen (Details hier). Daher verliert sich in solchen Ländern leichter die Spur, wenn jemand umzieht.
Muss ich den Vertrag des Erbenermittlers unterschreiben?
Natürlich nicht! Es bleibt ganz Ihnen überlassen, ob Sie die Dienste eines solchen Erbenermittlers nutzen wollen oder ob Sie sich zutrauen, die fehlenden Informationen selbst zu recherchieren. Unseriöse Erbenermittler setzen die Kunden manchmal mit dem Argument unter Zeitdruck, dass die Erbschaft sonst an jemand anderen fällt oder dass bestimmte Gerichtsfristen verstreichen. Das ist fast immer Unsinn.
Wenn Sie also von einem Erbenermittler kontaktiert werden, der von einem verstorbenen Verwandten im Ausland erzählt, dann ist es absolut legitim, dass Sie zunächst einmal selbst überlegen und recherchieren, wer das sein könnte.
Falls Sie sich spontan zur Unterschrift haben hinreissen lassen, gilt in der Regel ein Verbraucher-Widerrufsrecht, jedenfalls nach deutschem und britischem Recht, in USA-Fällen wird es etwas komplizierter.
In jedem Fall gilt: keine Schnellschüsse und vor allem NIEMALS VORSCHNELL GELD AN (ANGEBLICHE) ERBENERMITTLER ÜBERWEISEN! Seriöse Erbenermittler verlangen KEINE Vorschüsse auf die Vermittlungsprovision.
Echter Erbfall oder Betrugsmasche?
Am Anfang ist natürlich auch eine gesunde Portion Skepsis angebracht, da leider auch viele Kriminelle mit der Betrugsmasche „internationaler Erbfall“ unterwegs sind. Besonders skeptisch sollten Sie sein, wenn Sie aufgefordert werden, irgendwelche angeblichen Gebühren oder Steuern zu zahlen. Zur Frage, wie Sie Betrüger von echten Erbenermittlern und echten Anwaltskanzleien unterscheiden, habe ich dieses Video erstellt:
Was kosten Erbenermittler?
Falls Sie zum Ergebnis kommen, dass es sich tatsächlich um einen echten Erbfall handelt und Sie die Dienste des Erbenermittlers nutzen wollen, stellt sich die nächste Frage: Was darf er denn kosten? Die meisten Erbenermittler berechnen ihre Vergütung in Form einer Provision, also einer Beteiligung aus dem Nachlasswert. Von 10% bis zu (in komplizierten Fällen) 50% habe ich hier schon alles erlebt.
Beim Thema Honorar sollten Sie ganz genau prüfen, was die Berechnungsgrundlage für die prozentuale Beteiligung des Erbenermittlers ist: Der Wert Ihres Erbteils vor Erbschaftssteuer oder nach Abzug der (ggf. ausländischen und schlimmstenfalls auch noch einmal deutschen) Erbschaftsteuer? Der Wert des Erbteils am Todestag oder zu der Zeit, wenn Ihnen das Erbe ausbezahlt wird? Da kann es extreme Wertunterschiede geben, etwa wenn ein Aktiendepot seit dem Todestag in den Keller gerauscht ist oder – ggf. zusätzlich – sich der Währungs-Wechselkurs ungünstig entwickelt hat, das Pfund oder der Dollar zum Beispiel an Wert verloren haben. Im Zweifel sollten Sie daher vereinbaren, dass sich die Vergütung aus dem Wert berechnet, der Ihnen tatsächlich ausbezahlt wird.
Noch wichtiger ist aber die Frage, welche Gegenleistung Sie eigentlich von der Heir Hunter Agentur bekommen? Zahlen Sie die Provision allein dafür, dass der Erbenermittler Sie gefunden und informiert hat? Oder ist von den 30-50% auch die Nachlassabwicklung erfasst, also die Kosten der (ausländischen) Anwälte für den Erbscheinsantrag, der Steuererklärung und anderer Tätigkeiten rund um die „Estate Administration“? Hier gibt es bei Erbenermittlern die unterschiedlichsten Geschäftsmodelle. Manche verlangen Ihre Provision für die reine Kontaktvermittlung. Andere Erbenermittlerfirmen bieten ein „rundum sorglos Paket“ und kümmern sich um alles, bis dann tatsächlich auch ausbezahlt wird.
Der Experte für deutsch-britische Erbfälle
Die Kanzlei Graf & Partner, speziell Gründungspartner Bernhard Schmeilzl, ist seit 2003 auf die Abwicklung deutsch-britischer Erbfälle spezialisiert. Rechtsanwalt Schmeilzl hat mindestens 1.000 internationale Erbfälle abgewickelt, inklusive Erbschaftsteuer, und war in gut 50% dieser Nachlassabwicklungen selbst als Executor oder Administrator tätig.
Weitere Informationen zu grenzüberschreitenden Erbfällen, insbesondere zur Abwicklung deutsch-englischer Erbfälle, finden Sie hier:
Weitere Informationen zu Erbfällen mit Bezug zu England und USA
Auf diesem Blog erklären wir in vielen Beiträgen das englische und US-amerikanische Erbrecht, die jeweiligen Erbschaftsteuern, warum in UK/USA zwingend immer ein Nachlassabwickler nötig ist und wie man das englische bzw. amerikanische Nachlasszeugnis beantragt: Liste der Beiträge hier
Auf unserer weiteren Website www.erbschaft-in-england.de haben wir eine ausführliche Checkliste zusammengestellt, die auf vier Seiten die wichtigsten To Do’s auflistet und erklärt (PDF-Download hier).
Weitere Informationen zum Thema Testamentsvollstreckung
Liste der Beiträge zu Testamentsvollstreckung auf CCL
Der Experte für deutsch-britische Erbfälle
Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl, Master of Laws (Leicester) ist seit gut 20 Jahren Spezialist für die Abwicklung deutsch-britischer Erbfälle sowie die Gestaltung von Testamenten bei Vermögen im Ausland. Kontakt per E-Mail oder unter 0941 / 463 7070. Besuchen Sie auch unseren YouTube Kanal mit vielen Clips zum Thema Erbrecht.
Bildnachweis: Titelfoto dieses Beitrags von Mr Cup / Fabien Barral on Unsplash