Bei einer Erbschaft in England muss die Einkünfte (meist) der Nachlass selbst versteuern, nicht die Erben
Wenn sich in der Erbmasse Nachlassvermögen befindet, das Einkünfte generiert, also zum Beispiel vermietete Wohnungen (Mieteinnahmen) oder Aktiendepots (Dividenden), aber auch Bankkonten (Zinsen), dann sind diese Einkünfte aus Nachlassvermögen natürlich einkommensteuerrelevant, das heißt, das Finanzamt will diese Einkünfte besteuern. Unabhängig von der Frage der Erbschaftsteuer, die auf das Nachlassvermögen selbst entfällt (nicht auf die Einkünfte daraus).
Einkünfte aus Nachlassvermögen: die deutsche Sicht
Aus Sicht des deutschen Einkommensteuerrechts wird ein Nachlass als „transparent“ angesehen, d.h. die Einkünfte werden gleich direkt dem Erben zugerechnet. Transparent soll in diesem Kontext also heißen, das Finanzamt schaut durch den Nachlass hindurch auf die dahinter stehenden Begünstigten, die Erben. Sind es mehrere Erben, dann werden die Einkünfte diesen anteilig nach Erbquote zugerechnet. Erben zum Beispiel zwei Kinder je zur Hälfte die vermietete Wohnung ihres verstorbenen Vaters, die im Monat 1.000 Euro Mieteinkünfte generiert, dann werden jedem Kind 50 Prozent der Mieteinnahmen als persönliche Einkünfte zugerechnet. Der Nachlass selbst ist in Deutschland gerade keine eigenständige Rechtspersönlichkeit, existiert also aus Sicht des Steuerrechts gar nicht wirklich, jedenfalls nicht als Steuersubjekt.
Technisch erstellt das Finanzamt während des Bestehens einer Erbengemeinschaft (bevor also alles aufgelöst und verteilt ist) über diese Einkünfte eine sog. einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung. Diese Feststellungserklärung legt fest, wie viel der Gesamteinkünfte („einheitlich“) auf jeden einzelnen Miterben („gesondert“) entfällt. Diesen Betrag gibt der Miterbe dann in seiner persönlichen Einkommensteuererklärung an.
Einkünfte aus Nachlassvermögen: die britische Sicht
Völlig anders die Situation im Vereinigten Königreich! Aus britischer Sicht ist der Nachlass (der sog. „Estate“) ein eigenständiges steuerpflichtiges Rechtssubjekt (ein sog. Sondervermögen). Einkünfte, die aus Vermögensgegenständen im Nachlass erzielt werden, müssen als Einkünfte des Nachlasses (income of the estate) per Einkommensteuererklärung des Nachlasses („estate returns“) gegenüber dem britischen Finanzamt erklärt werden. Details dazu sowie ein Link zum Steuerformular SA900 hier: www.gov.uk/probate-estate/reporting-the-estate
Dies gilt allerdings nur, wenn die Nachlassverwaltung (administration of the estate) sich über ein komplettes britisches Steuerjahr erstreckt (6. April bis zum 5. April des Folgejahres). Ist die Verwaltungsphase kürzer, wird der Nachlass also schnell abgewickelt und verteilt, gelten als Steuerschuldner doch (wie in Deutschland) die Begünstigten selbst als Steuerschuldner. Ist die Verwaltung innerhalb eines Steuerjahres abgeschlossen, so gilt das in diesem Steuerjahr erzielte Einkommen dem Beneficiary als zugeflossen, und nur dieser gilt dann in dem Steuerjahr als steuerpflichtig.
Die Verwaltung und Abwicklung von Erbfällen in England dauert aber sehr häufig länger als ein Steuerjahr, insbesondere wenn sich Immobilien oder gar Unternehmen in der Erbmasse befinden. Für vollständig abgeschlossene Steuerjahre gilt als Steuerschuldner dann nur das „Estate“ und nicht der „Beneficiary“.
Es gibt aber auch eine Möglichkeit, Einkünfte aus dem Nachlass einem Erben / Begünstigten direkt zuzuordnen, auch wenn der Nachlass im Übrigen noch nicht vollständig abgewickelt ist, die sogenannte „Deed of Appropriation“. Mehr dazu hier.
Wo fällt bei deutsch-britischen Erbfallen die Einkommensteuer an?
Wie werden nun Fälle behandelt, bei denen die Erben eines englischen Nachlasses in Deutschland wohnen und damit auch in Deutschland einkommensteuerpflichtig sind. Muss in diesen Fällen doppelt Einkommensteuer gezahlt werden, vom Estate selbst in UK und vom deutschen Erben dann später noch einmal in Deutschland? Die Details sind kompliziert, aber die kurze und vereinfachte Antwort lautet: Meistens fällt keine doppelte Steuer an.
Nach Art. 6 Abs. 1 Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschand und UK (DBA D-UK) werden Mieteinkünfte aus UK-Immobilien in UK besteuert und Deutschland stellt die Einkünfte bei Inländern, wenn UK tatsächlich besteuert, von der deutschen Besteuerung frei. Der deutsche Erbe muss hierüber eine Bescheinigung des britischen Finanzamts vorlegen.
Da UK aber seit Brexit mittlerweile ein Drittstaat ist (also außerhalb der EU), sind die Einkünfte nach § 32b Abs. 1 EStG allerdings wieder in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen (bei EU-Mieteinkünften gilt dagegen kein Progressionsvorbehalt). Progressionsvorbehalt bedeutet, dass die englischen Einkünfte zwar in Deutschland nicht besteuert werden, deren Existenz aber den deutschen Einkommensteuersatz (die Progression) erhöhen kann. Das Finanzamt legt also den Steuersatz zugrunde, den der deutsche Erbe bei Hinzurechnung der englischen Einkünfte haben würde.
Experten-Anwaltskanzlei für englisches Erbrecht und englische Erbschaftsteuer
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Beitragsfoto: Foto von Robert Linder auf Unsplash
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