Steuern bei grenzüberschreitenden Schenkungen zwischen Deutschland und UK
Jede Woche erhalte ich etliche Anfragen von in Deutschland wohnenden Eltern, die ihrem in England lebenden Kind eine deutsche Immobilie übertragen wollen und sich daher fragen, ob und in welchem Land diese lebzeitige Übertragung (vorweggenommene Erbfolge) nun Schenkungsteuer auslöst.
Oder es schreiben mir in UK wohnende Mandanten, die ihren in Deutschland lebenden Verwandten (z.B. Kinder, Enkel, Geschwister, Neffen oder Nichten) eine englische Immobilie, Aktien oder schlicht Geld schenken möchten.
Wie werden solche internationale Schenkungen steuerlich behandelt?
Welches Finanzamt ist für diese grenzüberschreitende Schenkung zuständig und welches nationale Steuerrecht gilt für solche Fälle? Wir sprechen hier nicht von kleinen Weihnachts- oder Geburtstagspräsenten, sondern von Schenkungen mit erheblichem Wert (insbesondere Schenkungen über dem deutschen Grundfreibetrag von 20.000 Euro).
In diesem Beitrag gebe ich eine kurze Übersicht über die verschiedenen Basis-Konstellationen. Es kommt nämlich – wie so oft im Recht und vor allem auch im Steuerrecht – auf die ganz konkrete Situation an, insbesondere darauf, wo Schenker und Beschenkte ihren Wohnsitz haben und wo der Schenkungsgegenstand liegt. Eine minimale Drehung an einer Stellschraube des Sachverhalts und schon ist das steuerliche Endergebnis ein völlig anderes. Irrelevant ist dagegen in aller Regel die Staatsangehörigkeit von Schenker und Beschenktem.
Fall 1: Schenkung von Deutschland nach UK
a) Rechtslage in Deutschland
Wohnt der Schenker in Deutschland, der Beschenkte in UK, dann greift deutsches Schenkungssteuerrecht. Nach § 2 Abs. 1 ErbStG genügt es nämlich, wenn entweder der Schenker oder der Empfänger der Schenkung einen Wohnsitz in Deutschland hat (einfacher Wohnsitz genügt, es muss nicht einmal der Lebensmittelpunkt / gewöhnliche Aufenthalt sein).
Der Schenker muss die Schenkung dem deutschen Finanzamt melden (der Beschenkte eigentlich auch, aber der ist ja weit weg), jedenfalls wenn die Schenkung den jeweiligen Freibetrag übersteigt (der je nach Verwandtschaftsgrad unterschiedlich hoch ist).
Haftbar für die Erbschaftsteuer gegenüber dem deutschen Finanzamt sind beide, Schenker und Empfänger. Sie dürfen aber raten, an wen sich der deutsche Fiskus wendet, wenn einer der Schuldner in Deutschland wohnt, der andere in UK. Natürlich an den in Deutschland wohnenden Steuerschuldner, denn bei dem kann man im Ernstfall unproblematisch pfänden.
Falls sich der in UK lebenden Beschenkte also unfair verhält und die Steuer nicht zahlt (etwa weil die Parteien gar nicht davon ausgegangen sind, dass Steuer anfällt, und diese niemand einkalkuliert hat), dann ist der Schenker doppelt gestraft. Er muss dann nämlich auf die von ihm getätigte Schenkung auch noch Steuern zahlen und hoffen, dass der Beschenkte ihm diese im Innenverhältnis wieder erstattet.
b) Rechtslage in UK
Hier können wir es kurz machen: Wenn der Schenker in Deutschland wohnt und auch der Schenkungsgegenstand aus Deutschland kommt, dann ist das in UK steuerlich gar nichts. Steuerjuristen sagen dazu: „ein nicht steuerbarer Vorgang“. Soll heißen, diese Fallkonstellation wird von keinem UK-Steuergesetz erfasst. Man muss die Schenkung dem englischen Finanzamt HMRC nicht einmal mitteilen. Details dazu hier.
Fall 2: Schenkung von UK nach Deutschland
Diese Konstellation ist steuerlich erheblich komplizierter, da jetzt mehrere Steuern kumulativ zur Anwendung kommen, vor allem wenn eine englische Immobilie an einen Deutschen (präziser: an eine in Deutschland wohnende Person) verschenkt und übertragen werden soll.
a) Rechtslage in Deutschland
Wohnt der Beschenkte in Deutschland, triggert allein dieser deutsche Wohnsitz – wie oben erklärt – die Anwendbarkeit des deutschen Schenkungssteuerrechts, egal wo der Schenker wohnt und auch egal, ob der Schenkungsgegenstand (Haus, Wohnung, Aktiendepot, Oldtimer, Geld etc.) aus UK kommt oder sich bereits vor der Schenkung in Deutschland befand.
b) Rechtslage in UK
In UK gibt es auf den ersten Blick keine Schenkungsteuer. Aber: Verstirbt der Schenker innerhalb von sieben Jahren ab dem Zeitpunkt der Schenkung, dann fällt der verschenkte Gegenstand rückwirkend in die Erbmasse des Schenkers und kann britische Erbschaftsteuer auslösen (die immerhin satte 40 % beträgt). Das britische Finanzamt HMRC tut in diesen Fällen also zum Zweck der Erbschaftssteuer so, als wäre der verschenkte Vermögensgegenstand noch im Nachlass vorhanden (wobei es allerdings Abschmelzungsregelungen gibt, sog. „taper relief“). Details zur (nicht existierenden) Schenkungssteuer in Großbritannien hier und hier:
Steuerfalle Nießbrauch in England („life interest“)
Steuerlich noch ungünstiger ist in Großbritannien die Konstellation der Übertragung einer Immobilien mit Rücbbehalt eines Nießbrauchs oder Wohnrechts (was in England unter der Bezeichnung „life interest“ läuft). Denn bei einer solchen Schenkung/Übertragung einer UK Wohnung oder eines Hauses unter Zurückbehalt eines „life interest“ beginnt die 7-Jahres-Frist nicht zu laufen. Das britische Finanzamt rechnet also den Wert der verschenkten Immobilie später immer dem Nachlass hinzu und besteuert diesen, auch wenn die Schenkung schon 20 Jahre oder zurückliegt.
Das in Deutschland so beliebte Steuergestaltungs- und Nachfolgeplanungs-Tool der lebzeitigen Übertragung von Immobilien auf die nächste Generation unter Vorbehalt eines Nießbrauchs, hat in UK somit keine Steuervorteile und wird deshalb dort auch kaum genutzt.
Die britische Steuer, mit der in Deutschland niemand rechnet
Die nächste böse Überraschung, die das englische Steuerrecht bei Schenkungen bereit hält, ist die Capital Gains Tax, eine Unterkategorie der UK Einkommensteuer. Ist der Schenker also in UK einkommensteuerpflichtig, dann muss er – auch bei einer Schenkung – den Wertzuwachs zwischen Erwerb und Veräußerung als Einkommen versteuern. Dies gilt auch, wenn er die Immobilie (oder das Aktiendepot) verschenkt, also gar keinen Verkaufserlös hat, den Wertzuwachs (capital gain) also in Wahrheit gar nicht realisiert. Ausnahmen hiervon gelten nur bei Schenkungen an Ehegatten oder Charities. Bei Schenkungen an alle übrigen Empfänger greift die Capital Gains Tax. Wer es nicht glaubt, möge sich auf der offizielle Website GOV.UK hier selbst überzeugen.
Weitere Infos zur britischen Capital Gains Tax (CGT) allgemein hier:
Diese Capital Gains Tax sollte übrigens auch der Beschenkte im Hinterkopf behalten. Denn wenn er oder sie die britische Wohnung oder das britische Haus später wieder verkaufen will, stellt sich auch hier wieder das Problem der CGT. Bei der Vererbung nicht, denn dann geht die britische Erbschaftsteuer (inheritance tax) vor und mach die CGT unanwendbar. Man hat dann aber Teufel mit Belzebub ausgetrieben, denn wenn bei der Vererbung der englische Freibetrag nicht reicht, fällt eben die 40% UK IHT an.
Fazit zur Besteuerung grenzüberschreitender Schenkungen
Schenkungen zwischen England und Deutschland haben es in sich. Die obigen Konstellationen zeigen, dass es bereits in den einfachen Grundfällen mehr Steuern zu beachten gibt, als die Parteien oft denken. Nun gibt es natürlich noch erheblich kompliziertere Sachverhalte, etwa non-dom Expat Familien, Übertragung von Betriebsvermögen oder von Vermögen in Trusts des englischen Rechts, Schenker und Beschenkte wohnen im selben Land, aber der Schenkungsgegenstand befindet sich in einem anderen Land als dem Wohnsitzstaat usw. Für solche komplexen Fälle ist es oft gar nicht so einfach, einen Berater zu finden, der sich traut, für alle betroffenen Länder eine verbindliche Auskunft über die Steuerfolgen zu geben.
Weitere Informationen zum Steuerrecht und zum Erbschaftsteuerrecht in UK und Deutschland hier:
- Erbschaftssteuer in England: Steuersätze, Freibeträge, Anrechnung
- Anrechnung von Erbschaftssteuer zwischen Deutschland und England
- Was ist eine “Deed of Variation” im englischen Erbrecht?
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- Deutschland oder England: Wo muss das Erbe versteuert werden?
- Verwandter in England gestorben: Wie erfährt man, was im Testament steht?
Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer englischsprachigen Prozessabteilung (GP Litigation) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische und deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und internationale Erbfälle. Falls Sie bei einer anglo-amerikanischen Rechtsangelegenheit sowie in Erbschaftsteuerfragen Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Graf & Partner mit ihrem internationalen Netzwerk in Europa sowie im außereuropäischen englischsprachigen Rechtsraum gerne zur Verfügung. In UK, Kanada sowie den meisten großen US-Bundesstaaten verfügen wir über gute persönliche Kontakte zu Attorneys-at-Law in mittelgroßen Kanzleien. Kontaktieren Sie uns per Mail an info@grafpartner.com