Jeder Anwalt weiß, das ist Blödsinn: Unschuldige lügen sich im echten Leben sehr oft um Kopf und Kragen!

Frägt man in der Fußgängerzone: Würden Sie gegenüber der Polizei falsche Angaben machen? Das Resultat wäre 90% oder mehr: Natürlich nicht!

Das echte Leben spielt in Stresssituationen aber anders.

Für Strafverteidiger ist es ein Klassiker, dass jemand, der in Wahrheit unschuldig ist, gegenüber der Polizei dennoch lügt, etwa über seinen Aufenthaltsort zu einer bestimmten Zeit.

Nehmen wir an, jemandem wird vorgeworfen, am Donnerstag um 20:30 Uhr einen Autounfall mit anschließlicher Fahrerflucht begangen zu haben. Unser Mandant ist aber tatsächlich unschuldig und hat für genau diese Uhrzeit ein Alibi.

Nur leider ist das konkrete Alibi, dass er just um diese Uhrzeit bei seiner heimlichen Geliebten war, was seine Ehefrau und seine KInder auf keinen Fall erfahren sollen. Denn, so seine Vorstellung, bricht sein Leben zusammen.

Daher lügt unser Mandant und behauptet, er war zu der Zeit wo anders, zum Beispiel im Kino. Weil er sich ja unschuldig weiß, hat er deswegen auch gar kein Unrechtsbewusstsein. In seinem Kopf ist er an der Fahrerflucht völlig unschuldig. Da ist es ja wohl egal, ob er zu der Zeit bei der Geliebten war oder im Kino.

Nur: Kann ihm die Polizei nun nachweisen, dass er eben nicht im Kino war, glaubt ihm später niemand mehr irgendwas. Er hat seine Glaubwürdigkeit ruiniert!

Kommt er gegenüber der Polizei – wenn ihm die das Kino widerlegt hat – nun doch noch mit der Geliebten als Alibi, sieht das für die Polizei konstruiert und unglaubwürdig aus. Obwohl es objektiv die Wahrheit ist, denkt die Polizei: „Just another lie.“

Der US-amerikanische Strafrechts-Professor James Duane hat ein großartiges Buch darüber geschrieben, warum und wie sich viele Unschuldige gegenüber der Polizei oft unnötig um Kopf und Kragen reden: „You have the right to remain innocent„. Das Buch basiert auf seinem millionenfach aufgerufenen YouTube Video der Uni-Vorlesung mit dem unzweideutigen Titel „Don’t talk to the police!

Professor Duane bezieht sich als amerikanischer Attorney at Law auf das US-Recht. Dort gilt – wie in Deutschland – das uneingeschränkte Schweigerecht ohne dass der Beschuldigte negative Konsequenzen befürchten muss. In manchen Ländern – wie vor allem dem Vereinigten Königreich (England, Wales, Schottland und Nordirland) sind die Strafgesetze anders.

Trotzdem: Auch in diesen Ländern (UK) ist es im Zweifel besser gegenüber der Polizei – zumindest am Anfang – erst einmal gar nichts sagen.

Weitere Informationen zu Verhaftung, Schweigerecht und Strafverfahren in England hier:

https://www.englischesrecht.de/blog/verhaftet-in-england-was-tun-und-was-nicht

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