Englische Prozessanwälte dürfen kein Mandantengeld verwahren
Andere Länder, verblüffend andere Berufsordnungen für Anwälte: Englischen Prozessanwälten, den Barristers, untersagt es die Berufsordnung ihres Bar Standards Board strengstens, mit Mandantengeldern in Berührung zu kommen. Ein Barrister darf also, im Unterschied zum Solicitor, kein Fremdgeld verwahren.
Diese Regelung treibt bizarre Blüten und verkompliziert den juristischen Alltag: Will man vor einem britischen Gericht Klage erheben, muss man natürlich auch dort eine Gerichtsgebühr (Court Fee) zahlen. Als deutscher Anwalt oder Mandant geht man selbstverständlich davon aus, dass man die Gerichtsgebühr einfach seinem Barrister (zusammen mit dem Honorar) überweist und dieser die Gerichtsgebühr dann einzahlt. Weit gefehlt. Das ist dem Barrister streng verboten. Man muss also (weil die Courts natürlich nur Schecks in englischen Pfund akzeptieren) entweder bei seiner Bank die Ausstellung eines (übrigens sündteuren) Auslandsschecks beantragen und die mitleidigen Blicke des Bankangestellten aushalten, der einem erklärt, dass so etwas die letzten zehn Jahre keiner mehr verlangt hat, oder aber man muss spezielle englische Dienstleister beauftragen, die sich auf solche profanen juristischen Services spezialisiert haben (Beispiel hier).
Honorarvorschuss als Fremdgeld?
Sogar die Honorarzahlung selbst ist schwierig und für den Barrister voller Tücken. Denn verlangt ein Barrister einen Vorschuss und vereinbart mit dem Mandanten, dass er einen etwa nicht verbrauchten Vorschuss nach Abschluss der Tätigkeit an den Mandanten zurückerstattet (ein aus deutscher Sicht völlig normales Procedere zwischen Anwalt und Mandant), dann ist das in UK verbotenes „handling of client money“. Das deutsche Problem, ob bzw. wann ein Rechtsanwalt vereinnahmtes Fremdgeld mit seinen Forderungen auf Anwaltshonorar aufrechnen darf (Details dazu hier), kann sich einem Barrister somit gar nicht erst stellen.
Um Rügen oder schlimmeres (Beispiel) seitens der englischen Anwaltskammer zu vermeiden, delegieren Barrister deshalb in der Praxis den gesamten Umgang mit Geld sowie die Honorarvereinbarungen und Vorschusszahlungen an sogenannte Clerks, eine Art Rechtspfleger mit eigener Ausbildung und Berufsordnung. Die Barrister selbst sollen sich allein auf Jura konzentrieren. Den Sachverhalt und die Beweisangebote bekommen sie in der Regel ja vom Solicitor zugeliefert. Denn auch wenn es in den letzten Jahren immer mehr Barristerkanzleien (genannt Chambers) gibt, die damit werben, direkte Instruktionen vom Mandanten entgegen zunehmen, ist die gängige britische Praxis nach wie vor, dass der Mandant mit dem Solicitor spricht und der Solicitor dann mit dem Barrister. Meist bestehen Barrister auch darauf, dass der Solicitor sich zur Zahlung des Barrister-Honorars verpflichtet, was wiederum zur Folge hat, dass der Solicitor vom Mandanten nicht nur sein eigenes Honorar, sondern auch das Barrister-Honorar und die Gerichtsgebühren als Vorschuss haben will. Billig und schnell ist das nicht, aber die Briten wollen es bekanntlich wie sie es wollen und Tradition geht vor Effizienz.
Umgekehrt sollten deutsche Prozessanwälte, die mit englischen Anwaltskollegen oder britischen Inhouse-Juristen zu tun haben, diese Verbote kennen, denn manchmal wird ein englischer Jurist oder Mandant misstrauisch, wenn der deutsche Prozessanwalt ganz selbstverständlich ein Mandanten-Fremdgeldkonto (Anderkonto) vorschlägt und die deutsche Anwaltsvollmacht (die man so in UK ohnehin nicht kennt) ganz selbstverständlich einen Passus über Geldempfangsbefugnis enthält. Das kann einem britischen Barrister dubios vorkommen. Man sollte deshalb frühzeitig erklären, dass die deutschen anwaltlichen Berufsregeln hier völlig anders sind und die Abwicklung von Zahlungen über die Anwälte auch bei Gerichtsprozessen und Vergleichen üblich ist.
Weitere Informationen zum Thema Anwälte im Vereinigten Königreich im Beitrag „Solicitors, Barristers und Solicitor Advovates – wer darf eigentlich was?“ und auf den englischsprachigen Wikipedia-Websites Solicitors, Baristers in England and Wales, Barristers (around the world) und Solicitor Advocates sowie auf den Portalen der Standesorganisationen The Law Society und The Bar Council.
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Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer Abteilung für britisch-deutsche Prozessführung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und Erbfälle. Falls Sie bei einer britisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Lyndales gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England).