Der erfundene Anwalt Mr. Bradley Martins und sein ebenso virtueller UBS-Banker Kevin Morgan

Boom bei Betrugsmasche „Erbfall aus England“: Hier einige Beispiele für echte und gefälschte Dokumente, insbesondere englische Anwalts-Zulassungsurkunden (Solicitor Practising Certificate)

So schön bunt das folgende Certificate der „British Bar Association of Great Britain and Northern Ireland“ auch aussieht, es ist frei erfunden und wurde mit vielen kitschigen Grafiken am PC eines Kriminellen erstellt.

 

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Frei erfundendenes Fantasie-Zertifikat eines Online-Betrügers

Weiterer Schönheitsfehler: Es gibt gar keine „British Bar Association“, sondern vielmehr den Bar Council. Und dieser wiederum ist nur für England und Wales zuständig. Schottland hat seine eigene Anwaltskammer. Zudem würde ein Barrister (englischer Prozessanwalt) sich niemals in die außergerichtliche Abwicklung eines Erbfalls oder gar die Regelung der Erbschaftsteuern einmischen. Das ist in England vielmehr Aufgabe der Solicitors (mehr hier). Die Urkunde ist also gespickt mit offensichtlichem Unfug.

Das alles wissen die Betrüger offensichtlich nicht, die arglose Bürger mit der erfundenen Millionenerbschaft köndern wollen. Das Problem: Die Empfänger der Betrugsmails sind meistens keine Briten und wissen es daher leider auch nicht. Deshalb fallen Deutsche nicht selten auf solche Nachrichten über angebliche Erbschaften aus England herein.

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Beispiel für ein echtes Practising Certificate eines englischen Rechtsanwalts

Ein echtes Anwalts-Zulassungszertifikat (Practising Certificate) eines englischen Solicitor ist übrigens deutlich weniger farbenfroh. Es wird von der Solicitors Regulation Authority (SRA) jeweils nur mit Gültigkeit für ein Jahr ausgestellt. Und so sieht es aus (Solicitor Practising Certificate meiner Kanzlei-Kollegin Elissa Jelowicki).

Woran erkannt man Betrüger?

Bereits mehrfach haben wir auf diesem Blog sowie auf Rechthaber.com erklärt, wie man echte Erbschaften aus England und USA von dreisten Mail-Betrugsmaschen unterscheidet, zuletzt hier. Bisher erhielten wir einige Anfragen pro Woche zu diesem Thema. Seit August 2016 jedoch erhalten wir täglich mehrere Anrufe und eMail von Mandanten aus Deutschland und Österreich, die entweder tatsächlich bereits um ihr Geld geprellt wurden oder kurz davor sind, Geld nach England zu überweisen.

Die Masche ist nach wie vor dieselbe. Neu ist aber: Die Betrüger berufen sich nunmehr alle auf den Brexit und „begründen“ mit dem Brexit, dass irgendwelche Steuern oder Zertifikate erworben werden müssten. Oder umgekehrt: Dass man die Erbsache nun ganz schnell abwickeln müsse, weil durch den Brexit angeblich bald alles viel teurer würde.

Das ist natürlich alles völliger Quatsch: Der Brexit hat mit deutsch-britischen Erbfällen und mit deutsch-britischer Erbschaftssteuer überhaupt nichts zu tun. Ganz zu schweigen davon, dass der Brexit bislang ja noch gar nicht gestartet wurde.

Also: Bitte keinesfalls angebliche Steuern an (angebliche) englische Anwälte oder Banken überweisen. Wenn Erbschaftssteuer nach UK zu zahlen ist, dann nur an die offiziellen Bankkonten des britischen Finanzamts, die im Internet verfügbar sind und nachgeprüft werden können.

martins_nid_card Eine aktuelle Betrugswelle verwendet den Namen des angeblichen englischen Barristers Bradley Martins, der netterweise den Betrugs-eMails einen Farb-Scan seines Ausweises beifügt, was übrigens im echten Geschäftsverkehr so niemals gemacht wird. Der Ausweis ist nur leider nicht vom englischen Staat ausgestellt, sondern wurde mit Photo Shop am Computer eines Betrügers zusammenkopiert.

ubsMan erkennt dies vor allem daran, dass die Schrifttypen unterschiedlich sind und einige Texte (meist Name und Geburtsdatum) deutlich schärfer sind, als der Rest des gescannten Dokuments.

Besonders deutlich wird dies auf folgenden Beispielen eines ebenfalls gefälschten Passes und einer Bank-Mitarbeiterkarte.  kevin_morgan_passNochmals, weil es viele unserer Anrufer nicht glauben können: Es gibt keinen Kevin Morgan, der bei UBS arbeitet. Den Namen hat irgend ein Betrüger am PC frei erfunden und sich dazu im Internet ein Passbild irgend einer anderen Person gesucht und per Bildbearbeitungsprogramm in das vorher eingescannte Dokument (z.B. Pass) eingefügt. Es hat daher auch keinen Sinn, gegen einen Kevin Morgan oder einen Bradley Martins Strafanzeige zu stellen. Die Betrüger sitzen meist auch gar nicht in UK.

Es hilft also nur: Extrem skeptisch sein, wenn einem eine Erbschaft aus dem Ausland mitgeteilt wird. Vor allem, wenn eine Überweisung für angebliche Transfer- oder Kontoeröffnungskosten, Steuern, Geldwäschezertifikate oder sonstige Fantasiegebühren verlangt wird. Die Erbschaftsteuer zieht das englische Finanzamt direkt aus der Erbmasse ein. Hierfür ist keine Überweisung aus Deutschland nötig.

Weitere Informationen zum Thema Betrugsmasche angeblicher Erbfall im Ausland:

Weitere allgemeine Informationen zu Erbrecht, Nachlassabwicklung und Erbschaftsteuer in Deutschland, UK und anderen Commonwealth Ländern:

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gp_anz_mav_very_british_new_phoneDie 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer Abteilung für britisch-deutsche Prozessführung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische sowie deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und Erbfälle. Falls Sie bei einer britisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Lyndales gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 – 463 7070.

 

 

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