Dürfen englische Anwälte nach dem Brexit in Deutschland weiter beraten?
Neben dem Finanzsektor ist London auch stolz auf seine großen Anwaltskanzleien, die international agieren und Rechtsberatung für Konzerne auch in der EU anbieten. Bei einem harten Brexit wäre Schluss mit der Dienstleistungsfreiheit für diese englischen Solicitors innerhalb der Europäischen Union. Die tatsächliche Rechtsberatung erfolgt in den deutschen Dependancen der britischen Law Firms zwar in der Regel durch deutsche Rechtsanwälte. Aber die Partner sind natürlich Briten. Ist das nach einem Brexit dann noch zulässig? Corporate Clients schätzen solche Unsicherheiten gar nicht.
Dieses Horrorszenario wollen die britischen Kollegen dringend vermeiden. Die Law Society of England und Wales versucht daher, ihrer Regierung klar zu machen, dass diese Dienstleistungsfreiheit erhalten bleiben muss. Die Law Society hat auf ihrer Website klare Prioritäten für den „Legal Sector“ definiert. Dort findet sich auch ein interessanter Kalender mit den politisch zentralen Events auf dem Web zum Brexit-Ergebnis im März 2019.
In der heutigen Stellungnahme der Law Society zum BREXIT WHITE PAPER heißt es dazu:
The Law Society has also cautiously welcomed the white paper’s aim for „the freest possible trade in services between the UK and EU Member States.“
Robert Bourns commented: „We welcome the intention of the government to maintain free trade in services, but here the detail will be crucial.
„We have a large, vibrant and international legal services sector, which contributed £25.7bn to our economy in 2015. Maintaining recognition of European practising rights for English and Welsh solicitors, as well as protecting the Legal Professional Privilege held by our clients, will be an essential step in supporting the legal sector and the estimated 370,000 people it employs.
„We will continue to work with government to underline the importance of this mutual access, and to emphasise our priorities to ensure the UK maintains a strong and successful legal services sector.“
Wörtlich übersetzt heißt der fett hevorgehobene Teil: „Wir begrüßen die Absicht der Regierung, die Dienstleistungsfreiheit beizubehalten, aber die Details sind hier von größter Bedeutung“. Von der typisch britischen Zurückhaltung befreit und in klares Deutsch übertragen bedeutet diese Passage: Geht hier um Himmels Willen kein Risiko ein, wir englische Rechtsanwälte brauchenweiterhin identischen Zugang zum EU-Rechtsdienstleistungsmarkt! Der Code, an dem man die Unzufriedenheit und Besorgnis erkennen kann, ist das „cautiously welcomed“ im ersten Satz.
Nun ja: You can’t have the cake and eat it. Ende März beginnt die Uhr zu ticken. Bis März 2019 hat UK dann Zeit, „great deal“ auszuhandeln. Mehr zum Thema Brexit hier.
Weitere Informationen zu deutsch-britischer Vertragsgestaltung, zu Rechtsstreitigkeiten mit Briten oder vor britischen Gerichten, zur englischen Zivilprozessordnung, Prozessführung und Zwangsvollstreckung in UK finden Sie in diesen Posts:
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Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer Abteilung für britisch-deutsche Prozessführung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische Vertragsgestaltung, Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und Erbfälle.
Wir führen regelmäßig Intensivschulungen für Manager zum Thema englisches Vertragsrecht sowie zu den Rechten und Pflichten des Geschäftsführeres einer Limited Liability Company, sei es Gruppenseminare oder Einzelschulungen.
Falls Sie bei einer britisch-deutschen oder amerikanisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Lyndales gerne zur Verfügung. Ihre Ansprechpartner in Deutschland sind Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England) und Elissa Jelowicki, Solicitor.