Wenn ein Erbe unter Betreuung nach englischem Recht steht
Die Abwicklung internationaler Erbfälle ist schwierig genug. Besonders kompliziert ist es, wenn ein Erbe oder Miterbe in England wohnt und dort wegen Demenz, Alzheimer oder ähnlicher Erkrankung unter Betreuung steht.
Dann stellt sich nämlich die Frage, ob und in welchem Umfang der englische Betreuer (Deputy) in Deutschland rechtlich wirksam handeln kann. Gilt ein Betreuungsbeschluss eines englischen Gerichts in Deutschland? Die kurze und vereinfachte Antwort: meistens schon, aber nicht immer. Es kommt auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Betreuten an und auf den Inhalt des Betreuungsbeschlusses. In England wird nämlich unterschieden zwischen „Property and Affairs Deputy“ und „Health and Welfare Deputy“, Details hier.
Bei der Auflösung von Bankkonten und vor allem beim Verkauf von Immobilien im Nachlass wird es besonders mühsam. Hier verlangen die Banken, vor allem wenn es höhere Beträge sind, oft eine ausdrückliche Genehmigung durch die englische Betreuungsbehörde OPG (Office of the Public Guardian) oder durch das englische Vormundschaftsgericht. Das dauert viele Monate, wenn man das englische Gericht überhaupt dazu bewegen kann eine, aus dessen Sicht unnötige, Genehmigung eines Einzelgeschäfts zu erteilen, die dann natürlich beglaubigt, mit Apostille versehen und übersetzt werden muss.
Muss eine deutsche Immobilie aus dem Nachlassvermögen verkauft und/oder übertragen werden, sollte man sich gleich von Anfang an darauf einstellen, dass man das englische Vormundschaftsgericht (Court of Protection) einbeziehen muss. Denn selbst wenn der deutsche Notar den englischen Gerichtsbeschluss bei der Beurkundung des Verkaufs noch akzeptiert, spätestens beim Grundbuchamt ist dann Schluss mit der „Nachsichtigkeit“.
Deutsche Grundbuchamtsrichter (in der Praxis schon die Grundbuchamts-Rechtspfleger) bestehen meist gnadenlos auf einer expliziten Genehmigung des konkreten Immobiliengeschäfts durch das englische Gericht. Klingt harmlos, dann holt man die halt ein, oder? Nun ja, in der Praxis bedeutet dies aber, dass man die gesamten Verkaufsunterlagen (Notarurkunde mit Anlagen) ins Englische übersetzen lassen und in einem separaten Antragsschreiben an das Gericht erklären muss, was da in Deutschland gerade passieren soll und weshalb man hierfür eine Genehmigung durch das Gericht benötigt. Das kann mehrere tausend Euro an Kosten auslösen.
Weitere Informationen zu Betreuung, Vormundschaft und Vorsorgevollmacht in England in diesen Beiträgen
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Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer englischspachigen Prozessabteilung (GermanCivilProcedure) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische und deutsch-amerikanische Wirtschaftsstreitigkeiten und internationale Erbfälle.
Falls Sie bei einer anglo-amerikanischen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Graf & Partner gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 – 463 7070.