Der Lebensgefährte als Erbe? Vorsicht in Österreich!

Haftungsfalle für deutsche Anwälte und Notare

Das Erbrecht in Österreich ist für deutsche Erbrechtsanwälte voller Überraschungen. Denn es enthält etliche Regelungen, die gegen das Bauchgefühl eines in Deutschland geschulten Erbrechtlers gehen.

Ein einfaches Beispiel

Tomas und Hilde, beides deutsche Staatsbürger sind ein nicht verheiratetes Paar und leben zusammen in München. Tomas erstellt bei einem Münchner Notar ein Testament, in dem er Hilde zu seiner Alleinerbin einsetzt. Ein paar Jahre später zieht er beruflich nach Wien, Hilde bleibt im München. Sie besuchen sich ab und zu wechselseitig. Die Beziehung ist nicht mehr so intensiv wie früher, aber sie verstehen sich nach wie vor gut und keiner hat einen anderen (neuen) Partner.

Jetzt stirbt Tomas in Österreich überraschend durch Autounfall. Ein neues Testament hat er nicht gemacht, er hat auch das deutsche notarielle Testament nie widerrufen.

Was sagt das Bauchgefühl des deutschen Erbrechtsanwalts? Hilde ist Erbin. Was denn auch sonst? Formell entspricht das deutsche Notartestament zwar nicht den Vorschriften des österreichischen Rechts (da hätte man Zeugen gebraucht), aber das mache das Testament nicht unwirksam, denn nach Art 27 EU-Erbrechtsverordnung erkennen die Mitgliedstaaten wechselseitig Testamente an, die nach den Formvorschriften des Heimat- oder Wohnsitzstaates erstellt wurden (Tomas war Deutscher und hat das Testament in Deutschland erstellt).

Wo ist also das Problem? Der Inhalt des Testaments könnte ja nicht einfacher sein:

„Zur Alleinerbin bestimme ich meine Lebensgefährtin Hilde“

Hätte Tomas das nicht (mehr) gewollt, dann hätte er ja wohl ein neues Testament geschrieben oder das alte widerrufen.

Böse Überraschung für Hilde!

Ein österreichischer Erbrechtsanwalt – und wichtiger: das österreichische Nachlassgericht (heißt dort Verlassenschaftsgericht) – kommt hier aber zu einem anderen Ergebnis, denn:

Seit der österreichischen Erbrechtsrechtsreform (1.1.2017) werden mit der Auflösung der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der Lebensgemeinschaft Testamente automatisch aufgehoben, die einen früheren Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten begünstigen.

Hilde hat also Pech gehabt, wenn sie nicht nachweisen kann, dass trotz der getrennten Wohnsitze (München und Wien) nach wie vor eine Lebensgemeinschaft bestand, wenigstens in Form einer Fernbeziehung. Das kann mühsam werden, vor allem weil die Verwandten (die bei Unwirksamkeit des Testaments auf Basis der gesetzlichen Erbfolge zum Zug kommen) dagegen argumentieren werden.

Möchte der Ersteller eines Testaments, dass die Erbeinsetzung der Partnerin / des Partners auch im Fall einer Trennung wirksam bleibt, so muss er das im Testament ausdrücklich anordnen.

Gesetzliches Erbrecht des nicht verheirateten Lebenspartners

Umgekehrt hat das österreichische Erbrecht seit 2017 aber auch gute Nachrichten für den unverheirateten Lebenspartner. Dieser erbt nämlich unter bestimmten Voraussetzungen sogar, wenn es kein Testament zu seinen Gunsten gibt (sogenanntes „außerordentliches Erbrecht“). Voraussetzungen sind:

  • dass der Lebensgefährte mit dem Verstorbenen zumindest in den letzten drei Jahren im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und
  • der Verstorbene zum Zeitpunkt des Todes weder verheiratet war noch in einer eingetragenen Partnerschaft gelebt hat.

Ferner kann der Lebensgefährte ein gesetzliches Vorausvermächtnis geltend machen, d.h. er hat das Recht (unter den oben genannten Voraussetzungen), nach dem Tod des Erblassers vorerst (höchstens ein Jahr) weiter in der gemeinsamen Wohnung zu wohnen.

Das deutsche Testament kennt ein solches gesetzliches Erbrecht für den unverheirateten Partner nicht.

Fazit

Bei der Gestaltung von Testamenten für Mandanten, die entweder schon in Österreich wohnen oder die vielleicht dort hinziehen, darf man sich nicht naiv auf sein deutsches Rechtsgefühl verlassen. In Austria ist vieles anders.

Handelt es sich um deutsche Staatsbürger, können (und sollten) diese im Testament daher das deutsche Erbrecht wählen, damit sie bzw. deren Erben vor solchen Überraschungen verschont bleiben.

Mehr zur Erbrechtsreform 2017 in Österreich hier.

Weitere Informationen zu deutsch-österreichischen Erbfällen HIER.

Allgemein zu Erbrecht und Testament bei Auslandsvermögen hier:

Die 2003 gegründete Anwaltskanzlei Graf & Partner ist spezialisiert auf die Beratung bei deutschen Erbfällen mit Bezug zu Österreich, der Schweiz sowie zu anglo-amerikanischen Jurisdiktionen (England, Schottland, USA, Kanada,Australien und Südafrika). Wir haben lange Jahre praktischer Erfahrung mit der Abwicklung deutsch-österreichischer und deutsch-schweizer Nachlassangelegenheiten sowie deutsch-britischer, deutsch-amerikanischer und deutsch-kanadischer Erbfälle und unterstützen die Erben, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter gerne.

Wir prüfen und strukturieren den Erbfall und dessen steuerliche Auswirkungen, organisieren die in den jeweiligen Ländern nötigen Maßnahmen, nehmen auf Wunsch Kontakt zu den Erbrechtsexperten im jeweiligen Ausland auf (von USA und England über Südafrika bis Australien), und koordinieren die Nachlassabwicklung. Dies vermeidet Doppelarbeit und beschleunigt den Zugriff auf das ausländische Erbe.

Falls Sie bei einem konkreten Erbfall rechtliche Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte der Kanzlei Graf & Partner sowie deren Partneranwälte in Österreich, der Schweiz, England, Schottland und Irland gerne zur Verfügung. Ihre Ansprechpartner sind Rechtsanwältin Katrin Groll und Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), zentrale Rufnummer: 0941 463 7070.