Wie finden Nachlasspfleger oder Erbenermittler die Nadel im Heuhaufen?
Stirbt jemand, beantragen in aller Regel die nächsten Angehörigen oder Personen, die in einem Testament genannt sind, einen Erbschein beim Nachlassgericht. Was aber, wenn keine nahen Verwandten existieren oder im Ausland leben und der Verstorbene entweder gar kein Testament gemacht hat oder aber die darin bedachten Personen vorverstorben oder eben nicht auffindbar sind.
Variante 1: Die Person des Erben ist bekannt, aber nicht sein Wohnort
Vergleichsweise „einfach“ ist die Fallkonstellation, in der bekannt ist, wer Erbe ist, man „nur“ dessen Adresse nicht kennt. Das Nachlassgericht wird dann zunächst selbst Nachforschungen anstellen (Amtsermittlungsprinzip). Führt das nicht zum Erfolg, bestellt das Gericht einen Nachlasspfleger und beauftragt diesen zum einen mit der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses, zum anderen mit der Suche nach dem Erben. Nachlasspfleger beauftragen damit in der Regel professionelle Erbenermittler und/oder Detekteien.
Zum Thema Erbenermittler siehe auch diesen Beitrag hier:
Variante 2: Man weiß nicht einmal, wer Erbe geworden ist
Dies kommt häufiger vor als man denkt. Immer mehr hochbetagte Personen sterben, ohne einen Partner oder Kinder bzw. Enkel zu hinterlassen. Die Eltern sind meist längst vorverstorben. War der Erblasser dann Einzelkind, hatte also keine Geschwister, oder sind die Geschwister ebenfalls bereits vorverstorben, ohne Abkömmlinge zu hinterlassen, wird es langsam eng. Man muss jetzt bereits nach Kusinen und Vettern suchen. Besonders schwierig gestaltet sich das bei internationalen Fallkonstellationen. Wenn der Erblasser also in ein anderes Land ausgewandert ist als das, in dem seine Verwandten leb(t)en. Ein öffentliches Personenregister deutscher Prägung kennen viele Länder nicht. Dort muss man also wieder mühsam über Erbenermittler oder/und Detekteien gehen.
Was macht das Nachlassgericht in solchen Fällen?
Entweder unternimmt das Nachlassgericht eigene Nachforschungen oder es bestellt einen Nachlasspflegerund beauftragt diesen mit der (weiteren) Suche. Bleiben alle Recherchen erfolglos, kann das Nachlassgericht durch Beschluss feststellen, dass die Erbschaft dem Staat zufällt, in der Regel ist dies das Bundesland, in dem der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Bevor das Gericht eine solche Feststellung zugunsten des Bundeslandes treffen darf, muss es allerdings einen öffentlichen Erbenaufruf durchführen (siehe § 1965 BGB). Konkret bedeutet diese „Öffentliche Aufforderung zur Anmeldung der Erbrechte“, dass das Nachlassgericht eine Anzeige im Bundesanzeiger und meist auch einer lokalen Tageszeitung am Wohnort des Verstorbenen schaltet und allen (möglichen) Erben eine Frist setzt, sich beim Gericht zu melden und ihr Erbrecht nachzuweisen (durch Geburts-, Sterne- und Eheurkunden).
Beispiel eines öffentlichen Erbenaufrufs
Der Wortlaut eines solchen Erben-Aufgebots nach § 1965 BGB liest sich dann in etwa so:
Amtsgericht Wolfsburg NZS 4 VI …../2022
Öffentliche Aufforderung vom … (Erscheinungsdatum)
In der Nachlassangelegenheit Emil Einsam, geboren am … in …, verstorben am … in Wolfsburg, mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Wolfsburg konnten Erben der ersten und zweiten Ordnung nicht ermittelt werden. Eine Verfügung von Todes wegen ist nicht bekannt geworden. Daher wird jeder, dem ein Erbrecht am Nachlass zusteht, hiermit aufgefordert, sein Recht binnen 6 Wochen ab Veröffentlichung beim Nachlassgericht Wolfsburg anzumelden und das Erbrecht nachzuweisen, da andernfalls festgestellt wird, dass ein anderer Erbe als das Land Niedersachsen nicht vorhanden ist. Die Höhe des Nachlasswertes ist nicht bekannt.
So kommen Erbenermittler zu ihren Fällen
Die professionellen Erbenermittlerfirmen werten den Bundesanzeiger auf solche Aufrufe hin aus und werden dann oft aus Eigeninitiative und auf eigenes finanzielles Risiko aktiv, d.h. sie versuchen, mögliche Erben ausfindig zu machen und versuchen dann, von diesen (potentiellen) Erben beauftragt zu werden. Die von den Erbenermittlern hierfür geforderte Provision liegt – je nach Komplexität des Falls – meist zwischen 10 und 30 Prozent des Nachlasswertes vor Erbschaftsteuern. Ein Erbe muss aber natürlich den Ermittler nicht beauftragen. Traut sich der Erbe zu, die nötigen Unterlagen selbst beizubringen und etwaige Lücken des Stammbaums zu schließen, kann er auch ohne Hilfe durch den Erbenermittler einen Erbschein beantragen. Deshalb sind die Erbenermittler in aller Regel sehr zurückhaltend mit den Informationen, die sie preisgeben, bevor der (potentielle) Erbe den Auftrag unterschrieben hat (und ggf. die Widerrufsfrist abgelaufen ist, falls der Auftrag – wie oft – nur per Post, Fax oder E-Mail erfolgt).
Erhält ein Erbenermittler Akteneinsicht beim Nachlassgericht?
Erbenermittler versuchen auch manchmal, selbst beim Nachlassgericht Einsicht in die Nachlassakte zu bekommen, um Anhaltspunkte für die Erbensuche zu finden. Solange der Erbenermittler noch keinen potentiellen Erben vertritt und dessen Vollmacht vorlegen kann, wird ein solches Akteneinsichtsgesuch allerdings von den Nachlassgerichten meist abgeleht, weil das wirtschaftliche Interesse des (noch nicht beauftragten Erbenermittlers) kein „berechtigtes Interesse“ im Sinne des § 13 FamFG darstellt.
Der Experte für deutsche und internationale Erbfälle
Die Kanzlei Graf & Partner, speziell Gründungspartner Bernhard Schmeilzl, ist seit 2003 auf die Abwicklung deutsch-britischer Erbfälle spezialisiert. Rechtsanwalt Schmeilzl hat mindestens 1.000 internationale Erbfälle abgewickelt, inklusive Erbschaftsteuer, und war in gut 50% dieser Nachlassabwicklungen selbst als Executor oder Administrator tätig.
Weitere Informationen zu grenzüberschreitenden Erbfällen, insbesondere zur Abwicklung deutsch-englischer Erbfälle, finden Sie hier:
Weitere Informationen zu Erbfällen mit Bezug zu England und USA
Auf diesem Blog erklären wir in vielen Beiträgen das englische und US-amerikanische Erbrecht, die jeweiligen Erbschaftsteuern, warum in UK/USA zwingend immer ein Nachlassabwickler nötig ist und wie man das englische bzw. amerikanische Nachlasszeugnis beantragt: Liste der Beiträge hier
Auf unserer weiteren Website www.erbschaft-in-england.de haben wir eine ausführliche Checkliste zusammengestellt, die auf vier Seiten die wichtigsten To Do’s auflistet und erklärt (PDF-Download hier).
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