
Erbscheinsanträge können jetzt nicht mehr von UK aus gestellt werden
Wer einen deutschen Erbschein oder ein deutsches Testamentsvollstreckerzeugnis benötigt, muss dies entweder direkt am örtlich zuständigen deutschen Nachlassgericht oder über einen deutschen Notar beantragen. Genauer gesagt: Der Antragsteller müss die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben an Eides statt versichern. Das geht eben nur direkt bei Gericht oder vor einem Notar.
Eidesstattliche Versicherung im Ausland
Wohnt der Antragsteller nun aber im Ausland, etwa in Gro´ßbritannien, USA oder Kanada, und plant dieser keine Reise nach Deutschland, nur um einen 10-Minuten-Termin bei einem Notar wahrzunehmen, dann stellt sich die Frage, ob man diese eidesstattliche Versicherung denn nicht auch im Ausland abgeben kann. Nun, die einzige Chance ist, an einem deutschen Konsulat einen Konsularbeamten 1. Klasse dazu zu bewegen, den Erbscheinsantrag zu beurkunden. Denn nur diese sind deutschen Notaren kompetenzmäßig gleichgestellt.
Das war schon vor Covid nicht ganz einfach, denn die deutschen Generalkonsulate klagen über personelle Unterbesetzung und außerdem sind deutsche Konsularbeamte streng genommen für deutsche Bürger zuständig. Die Antragsteller, von denen ich spreche, sind aber in der Regel britische, amerikanische oder kanadische Staatsbürger, die halt in Deutschland etwas geerbt haben und deshalb ein deutsches Nachlasszeugnis benötigen, um Zugriff auf diese deutschen Vermögensgegenstände zu erhalten.
In London gibt es nun gar keine Termine mehr
Während der „heißen“ Covid Phase 2020/2021 waren viele deutsche Generalkonsulate für den Parteiverkehr komplett geschlossen. Aber auch danach ist es nun immer noch schwierig. Das Generalkonsulat in London schreibt auf seiner Website ebenso klar wie ernüchternd:

Bis auf Weiteres ist die Abteilung Nachlassangelegenheiten somit geschlossen.
Reise nach Deutschland ist unvermeidbar
Das bedeutet in der Praxis, dass jeder Antragsteller, auch wenn er oder sie hochbetagt ist und kein Deutsch spricht, nach Deutschland reisen und einen persönlichen Termin am Gericht oder bei einem Notar wahrnehmen muss, ggf. mit Simultan-Dolmetscher, da – anders als beim Generalkonsulat – Urkunden vom Gericht oder vom Notar in der Regel nicht mündlich ins Englische übersetzt werden.
Antrag beim Nachlassgericht auf Verzicht des eV-Erfordernisses
Theoretisch gibt es noch die Möglichkeit, beim deutschen Nachlassgericht den Antrag zu stellen, dass dieses ganz auf die eidesstattliche Versicherung verzichtet oder gestattet, dass diese Versicherung vor einem ausländischen Anwalt (Solicitor oder Attorney) geleistet werden darf.
In meinen gut zwanzig Jahren als Anwalt für deutsch-britische und deutsch-amerikanische Erbfälle habe ich aber noch kein einziges Mal erlebt, dass sich das Gericht darauf einlässt.
Weitere Informationen finden sich auch in unseren beiden Broschüren zum deutschen und internationalen Erbrecht:
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Falls Sie bei einer anglo-amerikanischen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die Anwälte der Kanzlei Graf & Partner mit ihrem internationalen Netzwerk in Europa sowie im außereuropäischen englischsprachigen Rechtsraum gerne zur Verfügung. In UK, Kanada sowie den meisten großen US-Bundesstaaten verfügen wir über gute persönliche Kontakte zu Attorneys-at-Law in mittelgroßen Kanzleien.