Unser deutsch-britisches Anwaltsteam ist spezialisiert auf Zivilklagen und Wirtschaftsprozesse in UK
Englische Wirtschaftsanwälte, die English Law Society, britische Handelskammern und natürlich die britische Regierung preisen das Common Law Rechtssystem und die englischen Gerichte als „fair, effizient, schnell“ und überhaupt großartig. Im internationalen Business sei es doch gar keine Frage, welches Recht und welchen Gerichtsstand man in den Verträgen wählen solle: englisches Recht natürlich, auch und gerade nach Brexit. Da wird ganz selbstbewusst die Werbetrommel gerührt. Auf der Website des Law Society klingt das dann – ganz ohne britisches Understatement – so:
„We believe that we have the best business law and the best legal advisers and we use a variety of channels and methods to promote both.“
https://www.lawsociety.org.uk/campaigns/international-work
Nun ja. Da habe ich in 20 Jahren Anwaltstätigkeit von dutzenden deutschen Mandanten was anderes gehört, nachdem diese durch die Mühlen eines englischen Zivilprozesses gedreht wurden. Gestandene 60-jährige Unternehmerpersönlichkeiten hatten Tränen in den Augen, wenn nach zwei Jahren 300.000 Pfund Legal Costs aufgelaufen waren in einem Prozess, in dem es um 300.000 Pfund Streitwert ging. Kein Einzelfall.
Zurück zu „fair, effizient und schnell“
Fair mag dabei im Ergebnis sogar noch stimmen, aber die Attribute effizient und schnell sind aus Sicht eines deutschen Rechtsanwalts, der beide Zivilprozessordnungen aus der Praxis kennt, schlicht absurd. Ganz zu schweigen von den Prozesskosten in Großbritannien, die oft fünf bis zehnmal so hoch sind als in Deutschland.
Ein Zivilprozess in England, insbesondere im Handels- und Gesellschaftsrecht, ist eine extrem aufwändige Materialschlacht, die einen naiven deutschen Mandanten und seinen deutschen Rechtsbeistand in kürzester Zeit zermürbt und manchmal auch zur Aufgabe zwingt. In diesem früheren Beitrag habe ich schon einmal beschrieben, wie ein englischer Zivilprozess in der Praxis aussieht.
Warum ist im englischen Zivilprozess alles anders?
Drei Buzzwords aus dem englischen Zivilprozess, die zeigen, dass deutsche Juristen, die sich unvorbereitet in einen englischen Lawsuit wagen, meist – um ein englisches Sprichwort zu zitieren – nur mit einem Messer bewaffnet zu einer Schießerei kommen („don’t bring a knife to a gun fight“):
- Pre Action Protocol: die Parteien eines englischen Rechtsstreits müssen ein formelles Procedere durchlaufen, bevor sie überhaupt Klage erheben dürfen. Dazu gehört eine vollständige Offenlegung aller Rechtsargumente und aller Beweismittel (Dokumente, Zeugenaussagen, Gutachten). Mehr dazu hier
- Disclosure: Spätestens im Prozess müssen die Parteien alle (!) prozessrelevanten Unterlagen proaktiv vorlegen, inklusive interne Protokolle und Aktennotizen, interne E-Mails, interne Privatgutachten etc. Details hier
- Party & Witness Statements: Die Prozessparteien (also Kläger bzw. deren Geschäftsführer und Vorstände müssen den Sachverhalt in Form einer schriftlichen Erklärung als Anlage zur Klage bzw. Klageerwiderung beifügen, unterzeichnet und mit einem „Statement of Truth“ versehen, also einer Art eidesstattlicher Versicherung. Das diszipliniert den Parteivortrag immens. Mehr hier
Das sind nur drei Beispiele, die zeigen, dass deutsche Juristen oft mit einem Fußballtrikot bekleidet zum Spiel kommen und dann feststellen, dass der Gegner American Football spielt, dessen Spieler also mit Schulterpolstern, Helm und Stahlmaske vor dem Gesicht auflaufen.
Hinzu kommen extrem kurze Fristen, die vom Gericht oft nicht oder nur um wenige Tage verlängert werden, eine völlig andere Art der Beweisaufnahme und das Problem, dass man zusätzlich zu seinem „normalen Anwalt“ (Solicitor) speziell für die mündliche Verhandlung auch noch einen Prozessanwalt (Barrister) benötigt, der – wenn er etwas auf sich hält – mindestens 500 Pfund die Stunde abrechnet, erfahrene Queens Counsels (QCs) gerne auch das Doppelte.
Praxistipps zum englischen Zivilprozess für deutsche Mandanten
Unsere 2003 gegründete Kanzlei berät und begleitet deutsche Mandanten mit Geschäftsbeziehungen zu Großbritannien. Wir erklären deutschen Geschäftsführern, ihren Inhouse Juristen und Wirtschaftsanwälten, worauf sie sich tatsächlich einlassen, wenn sie in Verträgen englisches Recht und UK-Gerichtsstand akzeptieren. Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl erklärt im Praxisleitfaden „Der Zivilprozess in England„, worauf deutsche Prozessbeteiligte auf der Insel achten müssen.
Für diejenigen, die sich bereits in einem englischen Wirtschaftsstreit oder Zivilprozess befinden, gibt unser Praxisleitfaden wertvolle Tipps aus der Sicht eines deutschen Prozessanwalts: Was ist in UK anders? Welche Überraschungen und Stolperfallen lauern? Warum braucht man neben dem Solicitor auch noch einen sündteuren Barrister (Prozessanwalt mit Perücke)? Wie dreht man an als deutsche Prozesspartei den Spieß um (disruptive litigation tactics)?
Bernhard Schmeilzl, Master of Laws (Leicester University, UK), ist seit 2000 Anwalt mit Fokus auf deutsch-britische Rechtsfälle, zunächst bei Beiten Burkhardt, seit 2003 in seiner eigenen Kanzlei Graf Partner. Er vertritt deutsche Unternehmen mit Business-Beziehungen nach UK und betreibt mit Cross-Channel-Lawyers einen Blog zu Anglo-German Law.
Der englische Anwaltskollege James Maxey ist englischer Solicitor mit Zusatzqualifikation als Prozessexperte (Solicitor Advocate). James Maxey ist Senior Partner einer führenden englischen Wirtschaftskanzlei, Buckles Solicitors LLP, mit 120 Berufsträgern an fünf Standorten in England.
Bei Fragen zum englischen Wirtschafts- oder Prozessrecht kontaktieren Sie uns gerne unter 0941 / 463 7070 oder per E-Mail. Die Kontaktdaten finden Sie auch auf der Kanzleiwebsite: www.grafpartner.com