Gilt ein englisches Testament in Deutschland – trotz Brexit?

Unterschiedliche Formerfordernisse in England und Deutschland

Englische Testamente entsprechen in der Regel nicht den Formerfordernissen, die das BGB für wirksame Testamente verlangt. Denn englische Testamente sind nur selten eigenhändig geschrieben. Werden solche englischen „Wills“ dennoch vom deutschen Nachlassgericht als wirksam anerkannt?

Das Vereinigte Königreich (wer gehört da eigentlich genau dazu?) hatte ja bereits vor dem Brexit-Referendum die EU-Erbrechtsverordnung abgeleht (opt out). Nun treten die Briten bald ganz aus der EU aus. Müssen britische Expats in Deutschland sowie alle Briten, die Vermögen in Deutschland besitzen, nun auch deutsche Testamente erstellen, weil die maschinengeschriebenen Zwei-Zeugen-Testamente hier nicht gelten?

Ganz ruhig: Durch den Brexit ändert sich überhaupt nichts. Britische Testamente (Wills), die nach den Formvorschriften des englischen oder schottischen Rechts erstellt wurden, sind nach wie vor gültig und werden von deutschen Nachlassgerichten anerkannt.

Warum eigentlich und wo steht das?

Die EU-Erbrechtsverordnung sagt zu diesem Thema:

Artikel 27 Formgültigkeit einer schriftlichen Verfügung von Todes wegen

(1) Eine schriftliche Verfügung von Todes wegen ist hinsichtlich ihrer Form wirksam, wenn diese:

  1. dem Recht des Staates entspricht, in dem die Verfügung errichtet oder der Erbvertrag geschlossen wurde,
  2. dem Recht eines Staates entspricht, dem der Erblasser oder mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung bzw. des Abschlusses des Erbvertrags oder im Zeitpunkt des Todes angehörte,
  3. dem Recht eines Staates entspricht, in dem der Erblasser oder mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung oder des Abschlusses des Erbvertrags oder im Zeitpunkt des Todes den Wohnsitz hatte,
  4. dem Recht des Staates entspricht, in dem der Erblasser oder mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung oder des Abschlusses des Erbvertrags oder im Zeitpunkt des Todes seinen/ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder
  5. dem Recht des Staates entspricht, in dem sich unbewegliches Vermögen befindet, soweit es sich um dieses handelt.

Ob der Erblasser oder eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, in einem bestimmten Staat ihren Wohnsitz hatte, regelt das in diesem Staat geltende Recht.

(2) Absatz 1 ist auch auf Verfügungen von Todes wegen anzuwenden, durch die eine frühere Verfügung geändert oder widerrufen wird. Die Änderung oder der Widerruf ist hinsichtlich ihrer Form auch dann gültig, wenn sie den Formerfordernissen einer der Rechtsordnungen entsprechen, nach denen die geänderte oder widerrufene Verfügung von Todes wegen nach Absatz 1 gültig war.

(3) Für die Zwecke dieses Artikels werden Rechtsvorschriften, welche die für Verfügungen von Todes wegen zugelassenen Formen mit Beziehung auf das Alter, die Staatsangehörigkeit oder andere persönliche Eigenschaften des Erblassers oder der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, beschränken, als zur Form gehörend angesehen. Das Gleiche gilt für Eigenschaften, welche die für die Gültigkeit einer Verfügung von Todes wegen erforderlichen Zeugen besitzen müssen.

 

Schön und gut, aber die Briten haben die EU Erbrechtsverordnung ja gerade nicht anerkannt (sog. „Opt Out“).

Richtig, das braucht den deutschen Erbrechtler an dieser Stelle aber nicht zu bekümmern, denn Artikel 25 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) regelt:

Art 25: Rechtsnachfolge von Todes wegen

Soweit die Rechtsnachfolge von Todes wegen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 fällt, gelten die Vorschriften des Kapitels III dieser Verordnung entsprechend.

Anders formuliert: Auch wenn die EU Erbrechtsverordnung nicht unmittelbar anwendbar ist, wenden wir sie trotzdem an  🙂

Diese Regeln zur Anerkennung ausländischer Testamente ist übrigens keineswegs neu. Auf ziemlich genau die selben Prinzipien, wie sie nun in der EU Erbrechtsverordnung enthalten sind, hatten sich die meisten (westlichen) Staaten bereits vor 55 Jahren im guten alten Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht (Volltext hier) verständigt.

Gilt umgekehrt ein deutsches Testament in Großbritannien?

Übrigens macht es das englische Recht umgekehrt ebenso, erkennt also ausländische Testamente prinzipiell auch an (siehe hier und hier).

Im Ergebnis ist die formelle Wirksamkeit eines ausländischen Testaments daher selten ein problem, solange das Testament den nationalen Formschriften des Landes des Erblassers oder des Landes des Erstellungsortes entspricht.

Weitere Informationen zu Erbrecht, Nachlassabwicklung und Erbschaftsteuer in England siehe:

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Die 2003 gegründete Kanzlei Graf & Partner ist mit ihrer Abteilung für britisch-deutsche Prozessführung (GP Chambers) auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische Wirtschaftsstreitigkeiten, Scheidungen und Erbfälle. Falls Sie bei einer britisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Lyndales gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), Telefon +49 (0) 941 – 463 7070.