Ein Ehegatte erbt in England nur, wenn er seinen vorverstorbenen Ehepartner um mindestens 28 Tage überlebt. Diese und andere Besonderheiten des englischen Erbrechts in einem Schaubild auf einen Blick
In zwei früheren Beiträgen (hier und hier) haben wir bereits gezeigt, dass sich die englischen Regeln der gesetzlichen Erbfolge (Rules of Intestacy) zum Teil deutlich von den Regeln in Deutschland und Österreich unterscheiden.
So steht in England der überlebende Ehegatte deutlich besser als bei der gesetzlichen Erbfolge in Deutschland. Allerdings nur, wenn der Ehegatte den Erblasser mindestens 28 Tage überlebt, sonst erbt er gar nichts. Aus deutscher Sicht eine weitere – skurrile – Besonderheit der Erbfolgeregeln im Common Law.
Was ist der Hintergrund dieser „28 day survivorship“ Regel des englischen Erbrechts?
Nun, zum einen will man doppelte Nachlassabwicklungen kurz hintereinander vermeiden und zum zweiten eine doppelte Erbschaftsteuer. Denn wenn zwei Ehegatten kurz hintereinander versterben, müssten (wie dies in Deutschland der Fall ist), zwei komplett getrennte Erbfälle abgewickelt werden, also zwei Erbscheine beantragt und zwei Nachlässe verteilt werden. Das vermeidet das englische Erbrecht, indem – recht versteckt – Teil IV des englischen Administration of Estates Act 1925 in Section 46 (2a) anordnet:
2A)Where the intestate’s spouse or civil partner survived the intestate but died before the end of the period of 28 days beginning with the day on which the intestate died, this section shall have effect as respects the intestate as if the spouse or civil partner had not survived the intestate.
Der Begriff „intestate“ meint in diesem Zusammenhang einen Erblasser, der kein Testament hinterlassen hat. Stirbt also der zweite Ehegatte kurz nach dem ersten, so wird dieser in der Erbfolge „übersprungen“ und das Erbe geht sofort an den nächsten gesetzlichen Erben.
Erstellt jemand ein Testament nach englischem Erbrecht, kann er oder sie sich frei entscheiden, ob in das Testament ebenfalls eine solche „28 day survivorship“-Klausel aufgenommen werden soll oder nicht. Die meisten englischen Last Wills enthalten solche Klauseln.
Flowchart gesetzliche Erbfolge in England & Wales
Hier eine grafische Übersicht der Regeln zur gesetzlichen Erbfolge in englischer Fassung:
Und hier in deutscher Version:
Ein PDF-Download „Flowchart Gesetzliche Erbfolge England & Wales“ senden wir Ihnen auf Anfrage gerne zu. Achtung: In Schottland und Irland gibt es Abweichungen, in USA ist die gesetzliche Erbfolge zum Teil ganz anders geregelt.
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Die 2003 gegründete Anwaltskanzlei Graf & Partner ist spezialisiert auf die Beratung bei deutschen Erbfällen mit Bezug zu Österreich, der Schweiz sowie zu anglo-amerikanischen Jurisdiktionen (England, Schottland, USA, Kanada, Australien und Südafrika). Wir haben lange Jahre praktischer Erfahrung mit der Abwicklung deutsch-österreichischer und deutsch-schweizer Nachlassangelegenheiten sowie deutsch-britischer, deutsch-amerikanischer und deutsch-kanadischer Erbfälle und unterstützen die Erben, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter gerne.
Wir prüfen und strukturieren den Erbfall und dessen steuerliche Auswirkungen, organisieren die in den jeweiligen Ländern nötigen Maßnahmen, nehmen auf Wunsch Kontakt zu den Erbrechtsexperten im jeweiligen Ausland auf (von USA und England über Südafrika bis Australien), und koordinieren die Nachlassabwicklung. Dies vermeidet Doppelarbeit und beschleunigt den Zugriff auf das ausländische Erbe.
Falls Sie bei einem konkreten Erbfall rechtliche Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte der Kanzlei Graf & Partner sowie deren Partneranwälte in Österreich, der Schweiz, England, Schottland und Irland gerne zur Verfügung. Ihre Ansprechpartner sind Rechtsanwältin Katrin Groll und Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England), zentrale Rufnummer: 0941 463 7070.