Englisches Erbrecht verweist bei Immobilien auf das Ortsrecht, aber!
Der Sachverhalt ist einfach: Ehepaar mit zwei Kindern lebt in England, hat aber auch eine (vermietete) Immobilie in Deutschland. Der Ehemann verstirbt ohne Testament. Nun brauchen die hinterbliebenen Angehörigen (Ehefrau und Kinder) neben dem englischen Nachlasszeugnis (Details und Checkliste dazu hier) auch einen Erbschein für Deutschland. Ein EU-Nachlasszeugnis scheidet aus, da UK die EU-Erbrechtsverordnung nie anerkannt hat. Die Ehefrau stellt also einen Erbscheinsantrag in Deutschland. Wenn es in Deutschland ausschließlich die Immobilie gibt (also keine Bankkonten, Depots etc.), dann genügt ein sogenannter „gegenständlich beschränkter Eigenrechtserbschein“. Eigenrecht deshalb, weil man diesen – außer dem Grundbuchamt – keinem Dritten vorlegen muss.
Welches Erbrecht gilt bei deutsch-englischen Erbfällen?
Da der Verstorbene seinen gewöhnlichen Aufenthalt in England hatte, gilt grundsätzlich das Erbrecht (succession laws) von England & Wales mit den dortigen Regeln zur gesetzlichen Erbfolge (Details hier). Nun ordnet das englische Erbrecht aber an, dass für Immobilien (immoveables), also Grundstücke, Häuser und Eigentumswohnungen, immer das Ort der Belegenheit (lex rei sitae) gilt. Bei einer Immobilie in Deutschland hierfür (und nur hierfür) also deutsches Erbrecht.
Verweisung auf deutsches Erbrecht
Nun gut, dann beantragen wir eben einen deutschen gegenständlich beschränkten Erbschein mit den Erbquoten 1/2 für die Ehefrau und jeweils 1/4 für die Kinder, weil der Verstorbene und seine Frau keinen Ehevertrag hatten, also im gesetzlichen Güterstand lebten, richtig?
Falsch! Denn sie lebten eben nicht im deutschen gesetzlichen Güterstand (Zugewinngemeinschaft), sondern waren nach englischem Recht verheiratet. Nun kennt das englische Recht eigentlich überhaupt keine ehelichen Güterstände. Fragt man einen englischen Anwalt, was denn der gesetzliche Güterstand (oder überhaupt ein Güterstand) in England ist, dann erntet man nur verständnislose Blicke.
Die Auffassung der deutschen Nachlassgerichte ist jedenfalls, dass eine Ehe in England NICHT dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft entspricht, denn es gibt in England keinen Zugewinnausgleichsanspruch deutscher Prägung. Somit soll § 1371 BGB nicht gelten und die gesetzliche Erbquote des überlebenden Ehegatten erhöht sich NICHT um das Viertel aus § 1371 BGB.
Die deutschen Nachlassgerichte gehen davon aus, dass eine Ehe in England der Gütertrennung entspricht. In unserem Beispiel (1 Gatte, 2 Kinder) wären die Erbquoten somit jeweils 1/3 (§ 1931 Abs. 4 BGB in entsprechender Anwendung).
Man kann das auch anders sehen, denn im Scheidungsfall gibt es in England nicht nur einen Ausgleich des Zugewinns, sondern des gesamten Vermögens, sog „equal split“ (Details zur Scheidung in England hier). Somit wäre der englische gesetzliche Güterstand sogar „mehr“ als der bloße Zugewinnausgleich. Aber mit dieser Argumentation dringt man in der Regel nicht durch, siehe etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.09.2009 – I-3 Wx 8/09.
Wer sich mit diesen Quoten nicht anfreunden kann und die Aufteilung einvernehmlich familienintern regeln will, der hat die Möglichkeit einen sogenannten „quotenlosen Erbschein“ (Details hier) zu beantragen und die Verteilung intern zu regeln. Das führt aber ggf. zu anderen Problemen.
Fazit: Trotz der Verweisung auf das deutsche Erbrecht ergibt sich im Ergebnis eine andere Erbquote als in einem deutschen Erbfall.
Übrigens: Was der Erbschein kostet, erkläre ich in diesem Video
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