Oder darf man abwarten, bis man zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung aufgefordert wird?
Jeder mit Wohnsitz in Deutschland, der etwas geschenkt bekommt oder erbt, muss das innerhalb von 3 Monaten beim Finanzamt anzeigen, sogenannte Anzeigepflicht gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG.
Der Begriff „etwas erben“ ist dabei weit zu verstehen, darunter fallen nämlich nicht nur Erbschaften im engen Sinn, sondern auch Vermächtnisse, Pflichtteilsansprüche, Lebensversicherungssummen und Auszahlungen aus Verträgen zugunsten Dritter. Also alles, was man „von Todes wegen“ erwirbt. Alle diese der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegenden Zuflüsse muss der Erwerber (bei lebzeitigen Schenkungen auch der Schenker) innerhalb von drei Monaten nach erlangter Kenntnis vom Vermögensanfall dem örtlich zuständigen deutschen Finanzamt melden.
Bei kleineren Erwerben (bis zu 20.000 Euro) macht das in der Praxis aber kaum jemand und es interessiert auch niemanden, weil der Mindestfreibetrag für Schenkungen und Erwerbe von Todes wegen 20.000 Euro beträgt. Selbst Personen, die nicht miteinander verwandt sind, können sich 20.000 Euro steuerfrei schenken oder vererben.
Aber auch bei höheren lebzeitigen Schenkungen unter Verwandten informieren viele das Finanzamt nicht. Das bleibt ohne Konsequenzen, solange die Schenkungssumme innerhalb der Steuerfreibeträge bleibt (Details zu den Freibeträgen hier).
Man darf dann nur später nicht vergessen, solche lebzeitigen Schenkungen in der Steuererklärung als sogenannte „Vorerwerbe“ anzugeben, wenn der Schenker einem innerhalb von 10 Jahren weitere Schenkungen macht oder etwas vererbt und der addierte Gesamtbetrag aller Schenkungen und Erwerbe von Todes wegen innerhalb dieses 10 Jahres-Zeitraums den Freibetrag übersteigt. Sonst rutscht man in ein Steuerhinterziehungsdelikt. Die Freibeträge sind nämlich so zu verstehen, dass man alles, was man von derselben Person in einem Zeitraum von 10 Jahren erhält, zusammenaddieren muss und der Freibetrag für diesen Zeitraum nur ein Mal gilt.
In welchen Fällen muss man das Finanzamt nun informieren?
Wie sieht es aber jetzt bei Erbschaften aus, bei denen möglicherweise Steuer anfällt? Muss man sich hier von sich aus, also proaktiv beim Fiskus melden? Wie immer in der Juristerei lautet die Antwort: Es kommt darauf an!
Im Erbschaftsteuerrecht besteht keine generelle Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung. Man muss also nicht im vorauseilenden Gehorsam gleich den vollständigen Satz an Erbschaftsteuer-Formularen ausfüllen und abgeben, sondern nur, wenn einen das Finanzamt dazu auffordert. Wie oben bereits ausgeführt, muss man das Finanzamt aber sehr wohl innerhalb der 3-Monats-Frist ab Kenntnis vom Erbanfall kurz darüber informieren (sog. Anzeigepflicht). Hierfür gibt es (meist einseitige) Formblätter der Finanzämter, die online zum Download verfügbar sind, in Bayern etwa hier: Formulare.
Diese „Anzeige“ (besser: einfache Mitteilung) soll dem Finanzamt nur einen ersten Überblick über den Erbanfall verschaffen, damit das Finanzamt prüfen kann, ob es überhaupt nötig ist, eine ausführliche Erbschaftsteuererklärung anzufordern. Das ist nicht der Fall, wenn der Erwerb klar innerhalb der Steuerfreibeträge liegt. Dann muss sich weder der Erwerber, noch der Finanzbeamte unnötige Arbeit machen.
Ausnahmen von der Anzeigepflicht
In der Praxis gibt es aber viele Ausnahmen von dieser Pflicht, den Erwerb dem Finanzamt auch nur anzuzeigen. Nämlich immer dann, wenn man davon ausgehen darf, dass das Finanzamt ohnehin vom Erbfall weiß. Und das ist sehr oft der Fall. Denn immer wenn in einem Erbfall ein Erbschein erteilt wird oder wenn ein Testament vom Nachlassgericht eröffnet wird, erhält das Finanzamt automatisch eine Quermitteilung darüber. Die Tatsache, dass jemand verstorben ist, erfährt das Finanzamt – bei Todesfällen innerhalb Deutschlands – ohnehin sofort vom Standesamt über die automatische „Mitteilung über einen Sterbefall“ gemäß § 6 ZTRV (http://www.gesetze-im-internet.de/ztrv/) in Verbindung mit § 34 ErbStG und § 62 Abs. 1 PStV. Die einseitige Anzeige nach § 30 Abs. 1 ErbStG kann man sich also getrost sparen, wenn das Finanzamt (z.B. durch einen Erbschein) ohnehin in der Lage ist, den erbschaftsteuerbaren Vorgang zu prüfen. Einer Anzeige bedarf es auch nicht, wenn eine Schenkung unter Lebenden notariell beurkundet ist, weil das Finanzamt auch von solchen Notarurkunden eine Kopie erhält.
Auslandsvermögen muss immer angezeigt werden
Aber: Diese Ausnahme, also die Befreiung von der Anzeigepflicht, greift nicht, wenn zum Nachlass Grundbesitz, Anteile an Kapitalgesellschaften, Betriebsvermögen oder – und das ist für unsere Kanzlei natürlich von besonderer Relevanz – jegliche Art von Auslandsvermögen fällt. In diesen Fällen muss die Schenkung oder der Erwerb von Todes wegen in jedem Fall angezeigt werden.
Wann muss man die ausführliche Steuererklärung abgeben?
Die Steuererklärung selbst, also die ausführlichen Formulare, muss man nur dann abgeben, wenn das Finanzamt einen hierzu schriftlich auffordert (Erklärungspflicht nach § 31 Abs. 1 ErbStG). Das Finanzamt setzt hierbei eine Frist, die – vor allem in komplexen internationalen Erbfällen – in der Regel verlängert werden kann. Lässt man die Frist kommentarlos verstreichen, drohen allerdings finanzielle Sanktionen, insbesondere kann das Finanzamt nach § 152 Abs. 10 AO einen Verspätungszuschlag festsetzen, im Extremfall bis zu 25.000 EUR, der allerdings nicht über zehn Prozent der festgesetzten Steuer hinausgehen darf.
Wann riskiert man Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung?
Das Unterlassen der einfachen Mitteilung ans Finanzamt (Anzeige eines Erwerbs) als solche führt weder zu einer Steuerordnungswidrigkeit (§ 377 Abgabenordnung), noch zu einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO), solange der Erwerber davon ausgehen durfte, dass die mit dem Erbfall oder der Schenkung befassten Gerichten, Behörden oder Notare das Finanzamt ohnehin bereits informiert haben. In diesen Fällen darf der Erbe zunächst die Aufforderung der Finanzbehörde zur Abgabe einer ErbSt-Erklärung abwarten.
In allen Erbfällen mit Auslandsvermögen sowie bei internationalen Schenkungen sollte man aber extrem vorsichtig sein und im Zweifel innerhalb der Frist anzeigen.
Weitere Informationen zu diesem Thema auch in der Infobroschüre des Bayerischen Landesamts für Steuern: Die gesetzliche Anzeigepflicht bei Schenkungen und Erwerben von Todes wegen.
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