Und was ist der Unterschied zwischen einem „Term Sheet“ und einem „Heads of Terms“?

Der Kauf eines englischen oder US-amerikanischen Unternehmens ist oft mit erheblich mehr Papier verbunden als der Erwerb einer deutschen Firma. Wenn der Kaufinteressent nicht aufpasst und den M&A-Deal nicht von Tag eins an sehr klar strukturiert, bombardieren ihn die englischen Solicitors oder die amerikanischen Attorneys mit derart umfangreichen Vertragsentwürfen, dass man in kürzester Zeit den Wald vor Bäumen nicht mehr sieht. Das Standardmuster (Template) eines englischen oder amerikanischen „Share Purchase Agreement (SPA)“, also der Anteilskaufvertrag, hat in der Regel gut und gerne 100 Seiten. Wohlgemerkt ohne Anlagen. Mit „Disclosure Bundle“ (also den Anlagen zum Vertrag) können es gerne 500 bis 1.000 Seiten werden.

Dieser Dokumenten-Overkill bei internationalen Merger & Acquisition Deals resultiert zum einen daraus, dass nach anglo-amerikanischer Denke der Vertragsgestaltung alles – und wenn ich alles schreibe, dann meine ich auch alles – im Vertrag selbst geregelt sein muss, weil es im Common Law kein vollständig kodifiziertes Kaufrecht gibt, auf das man verweisen könnte. Der Vertrag soll daher im Streitfall aus sich selbst heraus eindeutig interpretierbar sein, ohne Zuhilfenahme externer Interpretationsmittel. Das führt zu den berühmt-berüchtigten 20 Seiten „Definitions“ am Anfang eines Dokuments, mit allseits beliebten Klassikern wie

Germany shall mean the Federal Republic of Germany“

oder

EURO shall mean the lawful official currency of the eurozone, which consists of Austria, Belgium, Cyprus, Estonia, Finland, France, Germany, Greece, Ireland, Italy, Latvia, Lithuania, Luxembourg, Malta, the Netherlands, Portugal, Slovakia, Slovenia, and Spain.“

Das ist alles durchaus nicht falsch, aber möglicherweise ist es schade um Papier und Tinte? Als deutscher Rechtsanwalt wehrt man sich die ersten 10 Jahre seiner Berufstätigkeit noch gegen diesen Definitionswahn der britischen oder US-amerikanischen Anwaltskollegen, löscht die Klausel im Markup Modus und erhält prompt die Rückfrage aus New York, warum man dies denn nun gelöscht habe und ob man eine Telko abhalten solle, um die Auswirkungen dieser Löschung zu diskuitieren. Irgendwann nimmt man diese Selbstverständlichkeiten in den „Definitions“ hin und konzentriert sich auf die für den Mandanten wirklich entscheidenden Klauseln.

Zum anderen – so gewinnt man zumindest den Eindruck – sind die Verträge manchmal aber auch absichtlich in derart epischer Länge gestaltet, um sich als Vertragsanwalt unentbehrlich zu machen. Zur Verständlichkeit für den Mandanten selbst trägt es jedenfalls nicht bei, wenn eine Mängelgewährleistungsklausel sich über acht Seiten erstreckt, von den beliebten „Indemnity Clauses“ ganz zu schweigen. Frage an die Kollegen: Bei wem wurde so eine Indemnity Klausel im echten Leben irgendwann einmal tatsächlich relevant? Genau. Dennoch verhandelt man im Schnitt eine gute Stunde nur über die Details, wer wen unter welchen Umständen wovon freistellen muss.

Mein persönliches Aha-Erlebnis war, als ein erfahrener US-amerikanischer M&A-Anwalt seine eigene Anwaltskanzlei in der Rechtsform einer Limited Liability Company mit einem schlanken 14-seitigen Vertrag verkauft hat. Es geht also auch erheblich kürzer. Solicitor oder Attorney müssen nur wollen.

Tipps und Tricks für den Erwerb oder Verkauf englischer und US-amerikanischer Unternehmen

Nun aber zurück zur Ausgangsfrage: Was sind „Heads of Terms„? Das ist schlicht die in Großbritannien übliche Bezeichnung für das, was in USA und in Deutschland meist schlicht „Term Sheet“ genannt wird, also eine – in aller Regel rechtlich noch unverbindliche – Zusammenfassung der Eckpunkte des angestrebten Unternehmenskauf, auf die man sich bislang verständigt hat. Eine vertragliche Bindung ist mit dem Term Sheet (Heads of Terms) meistens noch nicht gewollt (falls doch nennt man es Vorvertrag), man will sich nur an die wesentlichen Konditionen des M&A Deals herantasten und diese zumindest „moralisch“ festzurren. Teile eines solchen Term Sheets können aber doch rechtliche Bindungswirkung haben, zum Beispiel eine Vertraulichkeitsklausel oder eine Klausel, wonach die eine Partei der anderen ihre Anwaltskosten erstattte, wenn sie grundlos die Vertragsverhandlungen abbricht.

Der Zusatz „Subject to Contract“ bringt zum Ausdruck, dass das Dokument eben gerade keine echte Bindungswirkung haben soll. Die englischen Solicitors fürchten sich meist derart panisch davor, dass irgendeine Äußerung im frühen Verhandlungsstadium als verbindliche Zusage gewertet wird, dass sie über wirklich jedes Dokument, aber auch in den bgetreff jedes Briefes und jedes eMails den Zusatz „Subject to Contract“ schreiben, gerne auch in Kapitälchen und mit Ausrufezeichen.

Kauf einer UK Limited nach deutschem Recht?

Als einen der ersten Punkte sollte man bei einem deutsch-britischen oder deutsch-amerikanischen Unternehmenskauf ansprechen, nach welchem Recht die Unternehmensanteile eigentlich verkauft werden. Falls es sich um eine englische oder amerikanische Company oder Corporation handelt werden die englischen Solicitors oder US Attorneys ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass natürlich das englische oder amerikanische Recht anwendbar sein muss. Wir haben regelmäßig entnervte deutsche Mandanten im Büro, die Anteile an einer englischen Limited besitzen und diese an einen anderen deutschen Erwerber verkaufen und übertragen möchten. Wenn diese sich an einen englischen Solicitor wenden, wird ihnen eingeredet, dass dies nur mit einem englischen Vertrag nach englischem Recht möglich sei, der dann zum Beispiel für Streitfragen auch die Zuständigkeit englischer Gerichte vorsieht. Dann verklagt also der Münchner Verkäufer der Shares den Frankfurter Käufer im schönen London auf Zahlung des Kaufpreises. Hierfür benötigt er neben einem englischen Solicitor (300 Pfund die Stunde) auch einen englischen Barrister (600 Pfund die Stunde).

Mit Verlaub: Diese Aussage der englischen Solicitors ist Unsinn. Natürlich können die Anteile an einer englischen Limited Liability Company (oder jeder anderen Unternehmensform) nach deutschem Recht verkauft werden und für eventuelle Rechtsstreitigkeiten können die Parteien auch die Zuständigkeit deutscher Gerichte vereinbaren. Man muss im Vertrag nur präzise die Mitwirkungspflichten des Verkäufers bei der Übertragung der Limited Shares und bei der Eintragung im englischen Companies House regeln, damit man diese Mitwirkung notfalls zwangsweise vollstrecken kann. Mehr dazu hier: Wie überträgt man Limited Geschäftsanteile?

Je nach Verhandlungsstärke ist so eine Klausel gegenüber Vertragspartnern in UK oder USA nur im Ausnahmefall durchsetzbar, zumal die englischen Solicitors und US Attorneys sich in aller Regel mit Händen und Füßen gegen das deutsche Recht zur Wehr setzen werden. Denn dann wären sie ja als juristische Berater für den Unternehmensverkauf aus dem Rennen.

Doch auch wenn englisches oder amerikanisches Recht für den Unternehmenskauf gilt, kann der deutsche Vertragspartner, vor allem wenn er der Käufer bzw. Investor ist, darauf hinwirken, dass die Transaktionsdokumente möglichst schlank gehalten werden. Man muss nicht über jedes Stöckchen springen, das einem die anglo-amerikanischen Law Firms als „alternativlos“ hinhalten. Mehr zum Auftreten britischer und amerikanischer Kanzleien hier.

Wer sich an britischen oder amerikanischen Firmen beteiligen möchte oder wer plant, sein deutsches Unternehmen an anglo-amerikanische Käufer zu veräußern, ist gut beraten, sich nicht sofort und ausschließlich an eine englische oder amerikanische Kanzlei zu wenden. Denn, gemäß dem Sprichtwort „to a hammer everything looks like a nail“, sehen die britischen und amerikanischen Kollegen viele mögliche Alternativen gar nicht, die sich einem deutschen Rechtsanwalt für Unternehmenstransaktionen förmlich aufdrängen.

Die deutsch-britischen M&A Anwälte  von Graf & Partner helfen gerne, den geplanten Unternehmenskauf oder Verkauf so zu strukturieren, dass die Businessfragen im Vordergrund stehen, nicht der endlose Review 100seitiger Vertragstemplates in englischer Sprache.

Weitere Informationen zur Vertragsgestaltung in Englisch, zum anglo-amerikanischen Gesellschaftsrecht und zu internationalen Unternehmensverkäufen finden Sie in diesen Beiträgen:

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Die 2003 gegründete Wirtschaftskanzlei Graf & Partner und deren Abteilung für britisch-deutsche Prozessführung (GP Litigation) ist auf grenzüberschreitende Rechtsfälle spezialisiert, insbesondere auf deutsch-britische Unternehmensverkäufe (M&A Deals), Wirtschaftsstreitigkeiten, internationale Nachlassplanung (Estate Planning) und Erbfälle.

Falls Sie bei einer britisch-deutschen oder amerikanisch-deutschen Rechtsangelegenheit Unterstützung benötigen, stehen Ihnen die deutschen Anwälte und Solicitors der Kanzlei Graf & Partner sowie die englischen Solicitors der Kanzlei Lyndales gerne zur Verfügung. Ihr Ansprechpartner in Deutschland ist Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt & Master of Laws (Leicester, England).

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